Kaffee, Cocktails, Kiezgefühl: Julian Mathieu und seine Adieu Bar in Berlin

Kaffee, Cocktails, Kiezgefühl: Julian Mathieu und seine Adieu Bar

Seit Juli betreibt Julian Mathieu die Berliner Adieu Bar. Sein Weg in die Bar ist ein unkonventioneller, doch macht er Mut zum Nachmachen. Über einen Ort mit Möglichkeitssinn.

Kennengelernt haben wir Julian Mathieu in seiner Zeit im Bonvivant beim Recherche-Besuch für den Artikel über Boozy Brunch. Schon als Bartender im Schöneberger Bar-Restaurant hatte er von den Plänen seiner eigenen Bar erzählt: eine Aperitivo-Bar sollte es sein.

Diese heißt Adieu und befindet sich im Bezirk Prenzlauer Berg. Im dortigen Kollwitzkiez sitzt Mathieu jetzt auch und und kredenzt zufrieden seinen Minzieu, entstanden auf der Basis einer Idee mit Elias Heintz und Jules Winnfield noch aus dem Bonvivant. „Wir wollten eigentlich einen Gin Basil Smash machen, hatten dann aber kein Basilikum und dann eben Minze genommen – also quasi einen an unsere Bedürfnisse angepassten Southside,” so Julian Mathieu. Und ja, der funktioniert in der Tat ausgezeichnet, selbst – oder gerade – an windigen Herbsttagen.

Vom Media Markt zum Minzieu

Der 28-Jährige steht womöglich exemplarisch für eine neue Generation von Barbetreiber:innen: kreative Quereinsteiger, die mit Respekt vor dem Handwerk, aber ohne Scheuklappen neue Wege gehen – und trotz schwierigen Zeiten den Weg in die Gastronomie wählen. Das Adieu ist nicht einfach nur eine weitere Bar – sie ist ein Beispiel dafür, wie persönliche Vision und professionelle Umsetzung zusammenfinden. Wer in Berlin unterwegs ist, sollte das Adieu auf die Liste setzen – nicht nur wegen der Drinks, sondern auch wegen der Atmosphäre, die zeigt, wie viel „Möglichkeitssinn“ (Robert Musil) eine Bar besitzen kann. Denn das Leben läuft, gerade als Hansdampf im Herzen, alles andere als geradlinig.

Ursprünglich stammt „Mathieu“ – so wird er von Freunden und Bekannten genannt – aus dem Saarland. Schon mit sechzehn Jahren fühlte er sich eingeengt, die Mutter gebot ihm den Auszug, da er sowieso weder Lust aufs Zuhausesein noch die Schule hatte. Er begann beim Baumarkt im Nachbardorf und wurde Berater in der Fließen- und Sanitärabteilung. Von dort aus ging es per Anhalter nach Berlin, gepennt wurde in der Abstellkammer des Cousins. Bei einem (vergeblichen) Flirtversuch im Mediamarkt wurde ihm eine Kamera aufgeschwatzt – so kam es zur Fotografie. Er verkaufte später Werbung, fotografierte Konzerte, arbeitete hinter den Kulissen mit Bands und Künstlern, war auf Tourneen und auch für Promis tätig, u.a. Klaas Heufer-Umflauf, Sarah Connor oder Jan Böhmermann.

Dann kam die Corona-Pandemie – und bei ihm wie bei vielen ein Umdenken, gewollt oder ungewollt. Er nutzte Übergangsphasen beim Film und gründete eine Produktionsfirma. Doch spürte er dabei irgendwann, dass er nicht mehr weiter von Projekt zu Projekt leben, sondern etwas Eigenes aufbauen wollte. So viele Bartender-Karrieren die Pandemie auch gebrochen haben mag – Mathieus Geschichte ermutigt. Er ging die Eröffnung seiner Bar herzlich unbedarft an. So steht Adieu auch eher für einen Willkommensgruß als einen Abschied.

Kaffee, Cocktails, Kiezgefühl

Die Location hat er tatsächlich auf einem Online-Portal gefunden, von der Nachbarschaft nicht sonderlich viel gewusst. Auch hier hat er eher auf den Bauch gehört, denn die Logik empfiehlt jedem angehenden Barbetreiber: know your neighborhood! Mit Unterstützung von zwölf Vertrauten gelang es ihm aber, genug Kapital zu mobilisieren, um das Projekt zu starten. Die Bar soll nicht nur Getränke bieten, sondern auch Kultur, Gespräche und Begegnungen. Das war dem Tausendsassa auch wichtig: Die Knaackstraße 26-28 muss ein Ort für jede:n sein.

Adieu heißt hier: Bis zum nächsten Mal

Klarheit und Kooperationen

Fotografisch bleibt Mathieu weiterhin tätig, doch die Bar gibt ihm seine ersehnte und bereits in jungen Jahren angelegte Freiheit. Nicht mehr jeden kleinen Auftrag muss er annehmen, bloß, um finanziell über die Runden zu kommen. Er fühlt sich angekommen im Kiez, im Alltag seiner Bar, an dem Ort, den er sich ausgedacht hat. Der ist gekleidet in viel Holz, Backstein, klarer Linie und offener Atmosphäre; außerdem gibt es eine großzügige Terrasse. Die Getränkekarte ist nicht sehr fokussiert, aber in ihren Zutaten pointiert: Highballs, Negronis, saisonale Spritzvarianten – alles mit ausgesuchten Spirituosen und Liebe zum Detail.

„Ich wollte eine Bar schaffen, in der man auch nachmittags ein Glas trinken kann – ohne gleich in die Nacht abzurutschen“, erklärt Mathieu. Die Karte lebt von lokalen Kooperationen, das Ambiente von wechselnden DJs und einem sich zunehmend entwickelnden Gespür für den Kiez. Von überdesignten Signature-Drinks mit zwölf Zutaten ist er dezidiert kein Fan: „Mir geht es um Klarheit, Balance – und dass man versteht, was man trinkt“, so Mathieu.

Und das tut man auch.


Fotocredit
Julian Mathieu

 


 

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