Das Chroma bereichert die Frankfurter Bar-Landschaft, um die es etwas ruhiger geworden ist

Bar Chroma: Es geht ums Zurückgeben

Lange Zeit spielte die Kinly Bar an der Spitze des Frankfurter Barhimmels, bis René Soffner vor einem Jahr die Türen schloss. Aber natürlich verschwinden deshalb nicht seine Bartender. Einer davon ist Quy Long Tran. Er hat gerade seine Bar Chroma eröffnet.

Nach einem Jahr »Bartender-Abstinenz« steht der 28-jährige »Long« vor dem Eingang seiner Bar in der Gutleutstraße 17, selbstredend mit Klingel. Die brauchen wir bei unserem Treffen allerdings nicht, denn seine Bar ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet. Wir bekommen eine Preview, offiziell los geht es Ende März. Die Wände sind anthrazitfarben und mit Pop-Art-Kunstdrucken behängt, in Kombination mit den liebevoll kuratierten Sofas und Möbel entsteht der Eindruck eines Wohnzimmers im Vintage- und Mid Century-Stil. Einrichtung muss man können und Long mitsamt seiner zwei Kollegen sind sichtlich ästhetisch begabt. Das zeichnet sich bereits im Namen der Bar ab.

Denn Chroma ist der griechische Begriff für Farbe. Long kam auf die Idee als Ode an seine Gäste. »Jeder Gast ist Teil des Abends, genauso wie der Pinselstrich auf einem Kunstwerk«, meint er. Den Bartender sieht er als einen Künstler, der mit seinen Cocktails ein kreatives Erlebnis erschaffen will: »Die Verbindung zwischen den Gästen und dem Bartender ist wie die zwischen dem Künstler und den Farben: Beide brauchen einander, um etwas besonderes zu erschaffen, es ist eine symbiotische Beziehung.«

Ein gemeinsames Kunstwerk

Tatsächlich ist es seine schaffende Ader, die Long nach seiner Zeit im damaligen Kinly dazu trieb, etwas Eigenes zu kreieren. Vor allem aus Dankbarkeit dem Gast gegebenüber: »Ich habe immer so viel Liebe in der Bar von meinen Gästen bekommen, die will ich jetzt zurückgeben.« Nach fünf Jahren in der Gastronomie kann er von sich sagen, dass er um die Knochenarbeit weiß, »aber ich strebe einfach danach. Hier geht es bei aller Mixkunst ja primär um die schöne Zeit mit denen, die sie mit uns verbringen wollen.«

Apropos schöne Zeit miteinander: In die Speakeasy Bar – die großzügigen Fenster sollen noch abgehängt und der Einlass durch einen Türsteher geregelt werden – darf sehr wohl jeder kommen. Vierzig Menschen passen ins Chroma, alle sind willkommen. Wie jeder Mensch, der sich in Bars bewegt, weiß, erhöht sich die Anzahl derer, die bereits zwei, drei Drinks zu viel hatten, im Laufe des Abends. »Aber auch das lässt sich nicht pauschalisieren, das ist eine Frage des Vibes. Vielleicht ist der gut drauf und passt total gut in die Runde, vielleicht gefällt dem Türsteher seine Jogginghose, die Verbindung stimmt und dann läuft das«, findet Long.

Quy Long Tran (Mitte) möchte seine Bar Speakeasy, aber zugänglich halten

Save the DNA

Es wird in der Tat herzlich unkompliziert zugehen in der Chroma Bar: Bedacht, aber nicht verkopft – und das ist ein eklatanter Unterschied. Seine Signature Drinks mag Long als Twists klassischer Drinks, eine persönliche Vorliebe hat er beispielsweise für den Old Fashioned: »Man darf die DNA der Drinks nicht kaputtmachen. Ich bin total der nussige Typ, darum mache ich den Drink mit Sesam infusioniert, einem Schuss Ahorn, eventuell Schokobitters, je nach Gast vielleicht auch selbst kreiertem Misosirup.« Bei dieser Erzählung sammelt sich das Wasser im Mund pünktlich zum »Misosirup«.

Die Startkarte wird »Back to the Roots« heißen und sich auch Longs gustatorischer Biografie widmen. Seine Eltern, beide ebenfalls Gastronomen, kommen aus Vietnam. Obwohl er in Leipzig geboren ist, hat er als Kleinkind einige Zeit in Asien verbracht, zuhause wird asiatisch gekocht und so ist er mit asiatischen Zutaten schlichtweg per du. Auffällig frisch liest sich seine kommende Karte, beispielsweise mit Drinks wie dem »Bruce Leechee« aus Gin, Litschi, Tamarinde, Pandan, Rose und Limette. Oder auch dem »BBK Martini« mit Gin, Kokos, grünem Curry, Jasmin und trockenem Wermut. Gemixt wird sichtlich gern mit Gin, wobei weder Vodka, Rum noch Whisky zu kurz kommen werden: »Wir wollen nicht die größte Mixologen-Bar mit Rotationsdampfern werden. Meine Idee mit dem Laden war es, etwas zurückzugeben. Es geht nicht um mich, nicht um die Drinks, sondern um die Leute. Unsere Tür ist für jeden auf, wir machen auch Kaffeedrinks, Eigenkreationen, cooles Eis und spielen gute Musik.« Gespielt wird Old school Hip-Hop, R’n‘B und Soul.

Handwerker am Hebel

Die Bar ist nicht, was man sich vorstellt, wenn es um die Frankfurter Barszene geht, wie man sie noch von vor einigen Jahren kannte: gemütlich, die Fenster abgedunkelt und die Gäste handverlesen. Doch macht sich ein deutlicher Generationswechsel sichtbar. Ausgehend von der eher düsteren Roughness, mit der man ja bereits am Bahnhofsviertel begrüßt wird, geht es hier verhältnismäßig jung, frisch und mauschelig zu. Es ist müßig, zwischen den alten Hasen und den Rookies zu vergleichen, ein Mitarbeiter von Long ist gerade erst 23 jahre alt: »Es ist schwierig, in einer so renommierten Bar-Stadt wie Frankfurt Fuß zu fassen, aber wir fördern uns da gegenseitig. Du musst dir deine Rolle eben gut überlegen: ob Nerd oder Gastgeber, ob Geschäftsführung oder Logistiker – das musst du selbst entscheiden. Auch die Jungen müssen ihren eigenen Weg finden.« Long selbst hält sich übrigens eher für den Handwerker. Bürokrat schon einmal gar nicht. Hier setzt er auch an, wenn es um Tipps an Kolleginnen und Kollegen geht, die darüber nachdenken, eine Bar zu öffnen: frühzeitig einen guten Steuerberater finden und pünktlich Papiere sortieren und abgeben. Für hilfreich hält er es außerdem, gerade in der anfänglichen Emotionalität bei der Unternehmensgründung, den Druck rauszunehmen: »Du magst eine geile Vorstellung und Version von allem in deinem Kopf haben; aber im Laufe der Gestaltung und Umsetzung muss man manchmal den Druck rausnehmen und sich auf die elementaren Dinge konzentrieren.«

Das Wetter, zum Beispiel. Es frühlingt, die Leute wollen draußen sein – und das können sie in der Chroma Bar, Speakeasy hin oder her: »Wir haben eine geile Sommerterrasse und werden dann auch früher aufmachen, zum Afterwork. Da geht's dann fruchtig und spritzig zu.«

Und das in Frankfurt!


Fotocredit
Markus Kirchgessner

 


 

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