In dieser Reihe dreht sich alles rund um das Barfood. Den Auftakt macht das Thema Brot. Dafür bauen wir mit dem Clubsandwich einen Klassiker des Barbetriebs um.

Mixology Barfood: Mach doch mal Clubsandwich - aber Lasagne-Style!

In dieser Reihe dreht sich alles rund um das Barfood. Den Auftakt macht das Thema Brot. Dafür bauen wir mit dem Clubsandwich einen Klassiker des Barbetriebs um – nicht jedoch ohne zuvor seiner würdigen Geschichte zu gedenken.

In den ersten sechs Teilen dieser Reihe dreht sich alles um das Thema Brot als Barfood. Ich verspreche aber, dass wir keine Sauerteige füttern, Hefekulturen einsammeln, Teige streicheln oder gar Brot selbst backen! Das überlassen wir den Profis. Ich sage auch immer: gut gekauft ist besser als selbst vermasselt! Wir kümmern uns hier um praktische Anwendungsbeispiele für Brot als Barfood jenseits der Klappstulle. Beginnen müssen wir dringlichst mit einem Klassiker aus dem Belegbrot-Bereich: dem Clubsandwich. Der Clubsandwich ist eine Legende und in seiner ursprünglichen Form eine warm-kalte Köstlichkeit, die Gourmets, Barflys und Streetfood-Fans erfreut. Er gehört zu den Überlebens-Strategien von Handlungsreisenden und Hotel-Nomaden: Eine komplette Mahlzeit drängelt sich zwischen Toastscheiben mit Salat, Ei, Fleisch und Gemüse. Weltweit erhältlich, ist er ein vertrauter Geschmack in der Fremde – und das meist auch noch mitten in der Nacht.

Geistesblitz am Spieltisch

Als früher Vater des Clubsandwich muss der gleichnamige Earl of Sandwich hier verdient Credits bekommen: John Montagu, der 4. Earl of Sandwich, war Kommandant der britischen Seeflotte und ein leidenschaftlicher Spieler, Unterbrechungen am Pokertisch waren ihm ein Ärgernis. 1762 soll er deshalb, während eines 24-Stunden-Poker-Spiels im Londoner Beef Steak Club, um eine Klappstulle mit Fleisch gegen den kleinen Hunger gebeten haben – so musste er die Karten nicht ablegen, weil zum Essen eine Hand genügte. Seine Mitstreiter sollen daraufhin »das Gleiche wie Sandwich« bestellt haben.

Der Earl hat das Sandwich zwar nicht erfunden, zumindest aber die Stulle populär gemacht, die seitdem den Namen des spielfreudigen Grafen trägt. Noch im gleichen Jahr wird das Sandwich in den Tagebüchern des britischen Historikers Edward Gibbons erstmals als Mahlzeit erwähnt. Der französische Historiker Pierre-Jean Grosely beschreibt in seinem 1772 veröffentlichten Reisebuch A Tour of London vom durchschlagenden Erfolg des neuen Klapp-Brotes: »This new dish grew highly in vogue, during my residence in London: it was called by the name of the minister who invented it

Sarah Tyson Rorer – die Mutter des Clubsandwichs

Das englische Ur-Sandwich besteht zunächst aus getoastetem, großflächigem Brot, das mit Mayonnaise oder Butter bestrichen und mit Rindfleisch, Schinken, Käse oder Lachs belegt wird. Der Clubsandwich mit Hähnchenbrust, Bacon, Tomaten und Salat auf geröstetem Sandwichtoast gehört auch zur Familie, ist aber über 100 Jahre jünger als das Sandwich des Earl: Das dreistöckige New York Clubsandwich wurde erst 1894 in den USA erfunden, das erste Rezept findet sich noch unter dem Namen Club-House-Sandwiches im Rezeptbuch Sandwiches von Sarah Tyson Rorer, einer Köchin und Hauswirtschaftslehrerin aus Pennsylvania. Über all das konnten die alten Römer nur müde lächeln: offulae, Stückchen oder Bissen, nannten sie kleine Fleischhappen zwischen zwei Brotscheiben, und es darf grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Idee Sandwich wahrscheinlich so alt ist, wie das Wissen der Menschheit um die Herstellung von Brot.

Der Clubsandwich heute: sensibel, aber anpassungsfähig!

Leider ist dem Clubsandwich auf seinen Wegen zwischen Lobby, Room Service, Pool-Bereich und Hotelbar die Eleganz und einstige Größe abhandengekommen. Putenaufschnitt statt gegrillter Hähnchenbrust, Eisbergsalatzuschnitt aus der Tüte und Fertigdressing, Eier aus dem Legeknast, salziger Bacon. Schon die Aufzählung zeigt: Einen großen Teil seiner Wirkung entfaltet der Clubsandwich über beste Zutaten. Die seien bitte pflichtbewusst besorgt, dann verzeihen die Mütter und Väter der Kreation eventuell, dass auch wir den Clubsandwich nochmal einer Umstrukturierung unterziehen: Damit der im Barbetrieb auch handhabbar ist, wird unsere »Clubsandwich-Lasagne« vorbereitend geschichtet und frisch aus der Form in Happen geschnitten. Ein superpraktischer Hingucker, der die Gäste für den nächsten Drink rüstet. Salut auf Mrs. Rorer. Und: auf den Earl!


Dieser Beitrag von Stevan Paul erschien erstmals in der Ausgabe Mixology 1-2024. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er formal adaptiert, inhaltlich aber nicht verändert.

 


 

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Kommentare (1)

Cathrin
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Uhr

Barfood! Oje... Ein Thema, das uns schon so lange umtreibt! Und ich meine jetzt nicht "richtiges Essen", sondern was zum Knabbern oder Kleinigkeiten zum Drink. Da bekomme ich einen wundervollen, hervorragend abgestimmten und gemixten Cocktail - und dann steht da eine Schale mit total überwürztem Zeug, Popcorn, Erdnüssen oder was-weiß ...mehr ⌄

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