Bombay Sapphire: English Estate | Mixology — Magazin für Barkultur

Bombay Sapphire: Destilleriebesuch und Spaziergang im Regen


B
ombay Sapphire hat zur Präsentation seiner Limited Edition, des English Estate, nach England geladen. Maruan Paschen hat in der Laverstoke Mill dem Geheimnis der Botanicals hinterhergestöbert – und dabei auch gleich in den Brexit hineingestochert.

» Eine Mühle mit tausendjähriger Geschichte, die architektonisch sehr liebevoll in die Gegenwart – ja, man möchte manchmal meinen: in ein futuristisches Design – überführt worden ist.«

Meine Reise nach Großbritannien findet eine Woche vor Ablauf der Frist zum Brexit statt. Also, zu einer der Fristen, die erste, die, von der alle noch dachten, sie sei eine entscheidende Frist.

Ich fahre also mit gemischten Gefühlen durch den Tunnel. Einerseits habe ich Angst, dass alle nur über den Brexit reden wollen. Andererseits will ich eigentlich mit allen über den Brexit reden. Im Zug lasse ich in Hörweite einiger Mitreisender eine Anspielung über die Zukunft dieser Zugfahrten fallen, dass es sicher schwieriger wird, wegen der EU, sowas halt. Aber niemand reagiert, eine Frau rollt mit den Augen. Verständlich. War vielleicht noch nicht direkt genug.

Während des Aufenthalts gibt es ein volles Programm. Masterclass, Führungen und Dinner. Ich werde schon noch meine Gelegenheit bekommen, von Brexit-Diskussionen genervt zu sein, die ich möglicherweise selbst provoziert habe. Als erstes steht eine Führung in der Destillerie an.

Nun ist bereits einige Zeit vergangen, seit Bombay Sapphire seine Produktionsstätte in der Laverstoke Mill bezogen hat. Ein beeindruckender Gebäudekomplex. Eine Mühle mit tausendjähriger Geschichte, die architektonisch sehr liebevoll in die Gegenwart – ja, man möchte manchmal meinen: in ein futuristisches Design – überführt worden ist.

So fließen förmlich aus dem Gebäude zwei gläserne Gewächshäuser, in denen die zehn bekannten Botanicals ausgestellt werden. Als lebendige Exponate wachsen und gedeihen sie hier in zwei unterschiedlichen Klimazonen. Die Liebe zu diesem Detail lässt auch den zynischsten Journalisten auf unserer Pressereise den Glauben zurückgewinnen, dass es sich hier um echte Zugewandtheit zum Produkt handelt.

»Ich lerne eine Menge, und ich glaube, auch alle Anwesenden lernen eine Menge – aber niemand mag sich so recht die Blöße geben, es zuzugeben.«

English Estate mit gerösteten Haselnüssen

Brexit allerdings steht nicht auf dem Plan. Dafür trinken wir einen geschmeidigen Drink, bestehend aus dem geschmeidigen Bombay English Estate, Spicy Ginger Ale und frischem Apfelsaft. Perfekt. Denn der English Estate ist ein Gin für den Sommer. Neben den Botanicals, die auch im Original zu finden sind, besticht der English Estate noch zusätzlich mit fruchtigen und bitteren Aromen von Hagebutte, Frische von englischer Minze und vor allem einer besonderen Cremigkeit durch geröstete Haselnüsse, die in der Limited Edition verarbeitet werden.

Ivano Tonutti, Master of Botanicals, spricht mit viel Liebe über die Aromawelt des Gins sowie über die Auswahl und Qualität der verwendeten Botanicals, Dr. Anne Brock, Master Distiller, führt sehr charmant durch den Destillationsprozess. Ich lerne eine Menge, und ich glaube, auch alle Anwesenden lernen eine Menge – aber niemand mag sich so recht die Blöße geben, es zuzugeben. Eigentlich die perfekte Ausgangslage für ein kurzes Gespräch über den Brexit.

Als nächstes kommen wir in das „Büro“ von Sam Carter, Bombay Sapphire Senior Ambassador, das in Wirklichkeit eine großzügige Bar ist. Dort gibt es noch einen Hinweis darauf, dass es das Bombay-Team ernst meint mit der Liebe zum Gin. Denn im Büro hat Carter sicher ein paar Hundert Flaschen Gin von Mitbewerbern. Der Bartender und BA führt uns dann im besten Sinne hinters Licht. Wir mixen eine Variation eines klassischen French 75 mit englischem Schaumwein aus der Region, soweit, so normal. Als nächstes bauen wir darauf, noch streng nach Anleitung, eine interessante Version mit einem Sherry. Und dann gibt es einen Cocktail, der im Grunde aus dem English Estate, Kräuterschnaps (etwas Zucker natürlich) und Grapefruit besteht und überraschenderweise so sehr nach Schokolade schmeckt, dass ich zwei Mal hinschmecken muss, um sicher zu gehen. Dabei weiß Carter einfach nur, was er macht und wie die Haselnuss in seinem Gin funktioniert. Und wir sind hinters Licht geführt.

»Beim Dinner gibt es zu jedem Gang den passenden Cocktail und vor allem die passenden Geschichten dazu. Nicht nur Foodpairing also, sondern auch Storypairing. Keine der Stories hat etwas mit dem Brexit zu tun.«

Maruan Paschen auf Destilleriebesuch beim Bombay Sapphire | Mixology — Magazin für Barkultur
Maruan Paschen ist neugierig: auf den neuen English Estate von Bombay Sapphire. Und den Brexit.

Die Wildnis des Heckfield Place Hotels

Carter wird uns den Rest der Reise begleiten und seine Cocktails werden jeden Gang komplementieren, den wir essen, jede flüssige Minute wird er uns mit dem English Estate und seinen feinen Besonderheiten vertraut machen. Nur auf eins verzichtet er: Ein Gespräch über den Brexit vom Zaun zu brechen.

Am zweiten Tag regnet es. Ausgestattet mit Gummistiefeln, „Bumbershoots“ und Kräuterkörbchen gehen wir kurz nach Sonnenaufgang mit dem Forager Fergus Drennan die üppige Flora rund um das exklusive Heckfield Place Hotel erkunden. Wir sammeln und probieren die englische „Wildnis“, und Drennan erklärt und erläutert, wie welcher Geschmack aus welcher Blüte, welchem Zweig oder welchen Blättern zu extrahieren ist.

Die Körbe füllen sich, und zurück im Hotel kochen wir in kleinen Gruppen unsere eigenen Cordials und Sirupe. Einen Wild Tonic Sirup zum Beispiel, den wir mit dem English Estate und englischem „Champagner“ zu einem Drink machen, der wach und glücklich macht. Beim Dinner gibt es zu jedem Gang den passenden Cocktail und vor allem die passenden Geschichten dazu. Nicht nur Foodpairing also, sondern auch Storypairing. Keine der Stories hat etwas mit dem Brexit zu tun. Auch die Gespräche am Abend mit den Schnapsgrößen der Branche sparen das Thema zielsicher aus. Ich werde deutlicher, frage nach Zöllen und Schwierigkeiten. Stattdessen spricht man am Tisch plötzlich darüber, dass es doch nicht sein könne, dass es keinen Gin Coriander Smash gebe. Und dann gehen wir nach dem letzten Gang in eine der vielen Bars des Hotels und probieren für den Rest der Nacht einen perfekten Gin Coriander Smash zu kreieren. Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir es geschafft haben.

»Plötzlich wird mir klar, dass ein London Dry Gin vor allem eins ist: ein Kulturgut.«

Der English Estate ist auch ein European Estate

Auf dem Weg zurück nach London, mit einer Flasche Gin und jeder Menge Eindrücken im Gepäck, wird es mir zu bunt. Der Fahrer ist ein sympathischer Typ, und nach ein wenig Small Talk setze ich alles auf eine Karte. „So, what do you think about the Brexit?“ Ein kleines Gewitter zieht auf im Auto, und zu meiner Überraschung fragt mich der Fahrer, was mir eigentlich einfalle, wir hätte doch so ein schönes Gespräch gehabt, wir seien doch jetzt einfach unterwegs und hätten doch nun wirklich besseres zum Plaudern.

Ich entschuldige mich. Und mein Fahrer erklärt sich bereit, mir in wenigen Worten zu erzählen, was er vom Brexit hält. Dass er wütend war. Aber nicht mehr wütend ist. Sondern dass er genervt ist. Und dass er nicht mehr darüber reden möchte. Dass er nicht mehr kann. Und dass Europa ja wohl stärker ist als das blöde Brexit-Gezanke.

Jetzt schäme ich mich ein wenig, so gierig gewesen zu sein. Und plötzich wird mir klar, dass ein London Dry Gin vor allem eins ist: ein Kulturgut. Eine große Geschichte davon, wie die europäische Schiffsfahrt kultiviert wurde, wie der Gin durch einen Krieg mit den Spaniern im 16. Jahrhundert nach England hinein, aber durch friedlichen Handel im 18. Jahrhundert wieder hinaus gekommen ist. Und wie bedeutend das ist, auf wessen Schultern Bombay Sapphire in diesem „Friedenshandel“ steht. Und dass der English Estate in gewisser Weise auch ein European Estate ist. Komme was wolle. Solange es ein Sommer ist, wird dieser frische Gin mein Begleiter sein, ob mit Zoll oder ohne.

Offenlegung: Pressereise

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