Federica „Fede“ Pulisci und Philipp „Phil“ Brand haben das Cœur in München übernommen.

„Komm, wir gehen zu Fede und Phil!“

Federica „Fede“ Pulisci und Philipp „Phil“ Brand haben das Cœur in München übernommen. Im Interview erzählen sie, wie es dazu kam und was sie mit der Aperitif-Bar vorhaben.

Sie kocht italienische Mama-Küche und hat zum zweiten Mal einen Laden übernommen, den sie entscheidend mitgeprägt hat. Für ihn ist es die erste Selbständigkeit. Sie lernt zum ersten Mal, wie sich Kälte auf die Säure in Drinks auswirkt. Er hat schon Mixology Bar Awards in den Händen gehalten.

Die Rede ist von Federica „Fede“ Pulisci & Philipp „Phil“ Brand. Zwei Menschen mit jeweils großem Erfahrungsschatz, namhaften Stationen im Lebenslauf und eigenem Stammgast-Klientel. Das Paar hat im September das noch junge Cœur in der Münchner Maxvorstadt übernommen, daraus „Cœur by Fede & Phil“ gemacht und so, wie sie selbst sagen, das eigene Zuhause verlängert. Wir haben die beiden zum Gespräch getroffen.

MIXOLOGY: Liebe Fede, lieber Phil, der erste Eindruck ist: Der Laden wirkt wärmer als zuvor. Was habt ihr verändert? 

Phil: Wir haben das Lichtkonzept angepasst, weg vom Kaltweiß. Die Spiegel wurden foliert, um sie zu dämpfen. Es gibt jetzt Pflanzen, mehr Kissen in den Sitzecken und Regale an den Wänden - die funktionieren nicht nur für Deko, sondern auch als Schalldämpfer. Aber das ist alles nur Fine-Tuning, der Laden war ja kernsaniert.

MIXOLOGY: Die Backbar wirkt ebenfalls vielfältiger …

Phil: Ja, wir fahren nicht mehr das ursprüngliche europäische Konzept, also mit Fokus auf europäischen Produkten. Die Bar Garçon macht das ja sehr erfolgreich, aber im Glockenbachviertel gibt es eine extrem hohe Dichte an Bars, da punktet man mit Spezialkonzepten - das haben wir hier nicht. Wir müssen hier noch etwas mehr auf den Mainstream achten.

Fede: Dafür haben die Gäste hier im Viertel eine andere Wertschätzung, sind auch entspannter, wenn wir zum Beispiel gerade voll sind und keinen Plazt haben. Die verstehen auch recht schnell, was wir machen, und sind sehr happy darüber!

Phil: Ein anderer Vorteil der Lage ist, dass uns Leute aus anderen Ecken Münchens ganz gezielt besuchen. Auch alte Stammgäste - von mir aus der Bar Gabányi und von Fede sogar Leute, die ihr seit dem L'Amar folgen. 

Fede: Hier sind manche reingelaufen mit den Worten „Endlich bist du wieder selbständig, Fede!”

MIXOLOGY: Empfindest du das selbst auch so? „Endlich“ wieder selbständig?

Fede: Ja. Wir hatten immer wieder die Idee, was zusammen zu machen. Phil wollte damals auch ins L'Amar  mit einsteigen - das hat dann aber alles nicht so geklappt und rückblickend war es auch gut so. (Phil nickt) Aber ich, wir, haben nach dem Ende immer gesagt: Irgendwann ist es soweit.

Phil: Die Gelegenheit jetzt war perfekt. Für mich stand schon fest, dass ich in der Bar Gabányi aufhören… aufhören muss. Ich war satt. Nach knapp sechs Jahren - es ging nicht mehr. Eigentlich wollte ich aber erstmal etwas entspannen, vielleicht drei Tage die Woche arbeiten, bisschen auflegen, sowas.

Fede: Und dann hat Philipp [Fröhlich, vorheriger Betreiber des Cœur, Anm.] angerufen.

„Wir schaffen es, die Dikussionen hier zu lassen und nicht nach Hause zu nehmen.“

Theresienstraße 38
80333 München
Deutschland

MIXOLOGY: Wie schnell habt ihr euch dann für die Übernahme entschieden? 

Fede: Dass ich es will, war sofort klar. Der Laden ist mein Baby: Ich habe jedes Glas und jeden Teller ausgesucht, stand auf der Baustelle und hatte auch als Angestellte schon sehr viel Freiheiten hier. Auch die Größe ist perfekt für uns. Hier kommt schnell Stimmung auf und du brauchst nicht zu viel Personal.


Phil: Dazu der Vertrag, die Miete, die Bausubstanz, alles kernsaniert. Die Location selbst - ein Einhorn. Aber bevor wir das erste Gespräch mit Philipp & Ben [Benjamin Bauer] geführt haben und überhaupt gesagt haben, dass wir uns das ernsthaft vorstellen können, sind wir zur Bank, um das Finanzielle zu klären.


Fede: Wir wollten erst sicher sein, dass wir das auch wirklich, wirklich durchziehen und langfristig planen können.

MIXOLOGY: Wie sehr hat euch die Erfahrungen aus Fedes erster Selbständigkeit geholfen?

Fede: Sehr! Weil: Die Erfahrung aus der ersten Selbständigkeit nimmt dir die Angst. Außerdem war ich damals gerade mal 24 Jahre alt - jetzt habe ich über zehn Jahre mehr Erfahrung. Ich weiß, worauf ich achten muss - und was alles schiefgehen kann. Ich weiß, was ich von meinen Mitarbeiter:innen erwarten kann und was nicht, und wie ich ihnen beibringe, wie ich die Dinge haben will. Das bringt mir unglaublich viel, auch an Gelassenheit. Ich gehe mit einem anderen Gefühl hier ran, bin viel entspannter.

Phil: Das muss ich noch lernen, das Entspannt-sein.

Fede: Ja! (deutet lachend auf Phil) Er muss aufhören, perfektionistisch zu sein, weil sonst stellt er sich selbst ein Bein - und dann kracht es auch manchmal.

MIXOLOGY: Und was passiert, wenn es kracht?

Fede: Wir schaffen es tatsächlich, die Diskussionen hier zu lassen und nichts mit nach Hause zu nehmen. Ich bin manchmal selbst überrascht - im siebten Jahr unserer Beziehung machen wir einen Laden zusammen auf (schlägt die Hände zusammen und lacht) - das ist hier gerade die Feuertaufe! Andere machen ein Kind, oder heiraten… es fühlt sich so an, als ob wir alles auf einmal gemacht haben! Aber wir kriegen es wirklich hin: Wir nehmen nichts mit nach Hause, was in der Arbeit passiert, das bleibt hier. Und wir sind eben ein gutes Team - wahrscheinlich auch wegen unserer Unterschiede.

MIXOLOGY: Teilt ihr euch denn die Verantwortungsbereiche nach euren unterschiedlichen Stärken auf?

Phil: Klares Jein. Jeder hat zwar so seine Aufgaben, und ja, mein Steckenpferd sind die Drinks und Fede macht eher die Küche – aber wir müssen beide beides können. Deshalb wechseln wir uns auch mal ab. Ich bin dann auch mal zwei Tage in der Küche und Fede wird von mir immer mehr mit an die Bar geholt. 

Fede: Ich lerne gerade sehr viel von ihm. Zum Beispiel, wie man Drinks richtig abschmeckt, das hat bisher ja nie jemand mit mir gemacht. Woher soll ich beispielsweise wissen, dass Säure zunimmt mit der Kälte?! Es macht Spaß, zu lernen, und es bringt uns beide weiter.

Phil: Wir haben schon Drinks auf der Karte, die in Synergie entstanden sind.

Fede: (fängt an zu lachen) Naja Synergie?! Ich hatte Bock auf einen Sanddornsaft, und dann nimmt ihn Phil und macht den Guinea Pig Drink daraus! Aber okay, er ist auch sehr lecker. Und man schmeckt nicht, dass er Low-ABV ist.

„Eigentlich könnte man sagen, dass By Fede & Phil der Hauptname ist.“

MIXOLOGY: Das klingt schon mal spannend! Was umfasst eure Karte noch so?

Phil: Tatsächlich recht viele Low- und No-AbV Drinks, weil es nachgefragt wird und wir auch inklusiver sind, wenn wir die anbieten. Aber wir haben genauso auch sehr hochwertige Whisky-Drinks, die trotz Preisen von 18 Euro stark nachgefragt werden.

Fede: Weil wir auch unseren Gästen erklären können, was diese Drinks so besonders macht. Und wenn man das erklärt, mit Leidenschaft, macht das auch viel mehr Lust. 

Phil: Es macht ja sowieso Spaß, mit dem Gast in die Kommunikation zu gehen. Deshalb verzichten wir bei den Drinks und den Weinen auf Geschmacksprofile. Beim Essen genauso: Wir listen die Zutaten auf, aber die Zubereitung erkläre ich lieber selbst und begeistere die Leute so dafür, was Neues auszuprobieren. 

MIXOLOGY: Und was kann man so probieren?

Phil: Wir haben ein paar Gerichte, die es immer gibt, wie Pinsa und verschiedene Sandwich-Varianten, dazu wöchentlich wechselnde, saisonale Hauptspeisen. Richtig italienische Mama-Küche, die du sonst nicht bekommst.

MIXOLOGY: Was heißt Mama-Küche?

Fede: Keine kleinen Portionen! Das kann ich gar nicht.

Phil: Das müssen die Leute auch noch kennenlernen (lacht). Wir hatten mal zwei Gäste da, die mehrere Gerichte bestellt haben. Denen ist die Kinnlade heruntergefallen, als die Teller aus der Küche kamen. 

Fede: Damit sie trotzdem alles probieren können, haben wir uns dann für die restlichen Gerichte auf halbe Portionen geeinigt. 

MIXOLOGY: Seit eurem Re-Opening im Oktober gab es schon einige Events bei euch, habt ihr noch mehr geplant?

Phil: Nach BCB, Weihnachtszeit und Silvester wollten wir erstmal im Regelbetreib ankommen. Aber ich habe schon Bock, hier regelmäßig Brunch anzubieten, dann aber eben mit Reservierung. Und natürlich sollen hier DJs auflegen, dafür haben wir auch eine neue Musikanlage eingebaut und einen mobilen Tresen, den wir verschieben können. Im Frühjahr und Sommer werden sich die Plätze dann durch die Nutzung von Terrasse und Bürgersteig verdreifachen, da lassen wir uns auch noch paar schöne Aktionen einfallen.

MIXOLOGY: Mama-Küche, Drinks, Wein, Kaffee, Kuchen und ab und zu Brunch und Events mit DJs. Restaurant, Bar, Café. Ihr wolltet euch wirklich nicht für eine Kategorie entscheiden, oder?

Fede: Na wie denn auch?! (lacht) Das ist doch so: Die Leute kommen zu uns, und wenn du zu mir kommst, dann frag ich dich ja auch: Bist du hungrig, magst du einen Kaffee, oder lieber einen Drink? Ich habe Snacks da, aber ich koche dir auch gerne was. Das ist hier ist eine Zweigstelle von unserem Zuhause, und so behandeln wir das auch - an den Wänden oben hängen zum Beispiel auch Urlaubsbilder von uns.

Phil: Wir zeigen uns ja auch viel auf Instagram, um deutlich zu machen: Ihr seid hier bei uns. 

MIXOLOGY: Das macht ihr auch im Namen sehr deutlich, ihr seid bei CŒUR geblieben, habt aber BY FEDE & PHIL ergänzt…

Fede: Es passt auch perfekt zu uns. Es steckte schon so viel Herzblut von mir in diesem Laden. Also waren wir uns einig, dass wir den Namen behalten wollen und durch den Zusatz wird eben deutlich, wen man hier besucht.

Phil: Eigentlich könnte man sogar sagen, dass By Fede & Phil der Hauptname ist. So ist es ja bei der Selbständigkeit - hinter allem, was du machst, steht dein Name. Es ist unser Laden, also stehen unser Name dahinter, und wir selbst am Tisch.

Fede: Das ist ja auch so schön, wenn die Gäste es schätzen, dass wir es wirklich sind, die hier dann im Laden stehen. Wenn sie uns anschauen und fragen 'Bist du die Fede? Bist du der Phil?' Das trägt zum Erlebnis bei. Betty Kupsa hat mal gesagt: 'Du erinnerst dich an das Gefühl, nicht an den Drink. Wenn du den Leuten ein gutes Gefühl vermittelst, dann kommen sie wieder!' Genau das wollen wir. Und dass unsere Gäste nicht sagen 'Wir gehen ins Cœur', sondern: 'Wir gehen zu Fede & Phil!'

MIXOLOGY: Liebe Fede, lieber Phil, danke für das Gespräch und alles Gute.

 


 

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