Das Late Bloomers ist eine Bar in Zürich

Das Late Bloomers in Zürich kommt für alle zur richtigen Zeit



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reffen sich drei Griechen in der Schweiz und eröffnen eine Bar: So könnte die Kurzformel des Late Bloomers lauten. Aber dahinter verbirgt sich mehr. Der im Herbst 2022 in einem ehemaligen Bordell im Rotlichtviertel eröffnete Ort ist Café, Bar und Wohnzimmer und bringt Lockerheit ins Zürcher Nachtleben.

Spätzünder, das sind Menschen, die relativ spät auf den richtigen Trichter kommen, in vielerlei Hinsicht. Das kann in einem Film („Late Bloomer“, 2016) jemand sein, der wegen einer Krankheit seine Pubertät und den damit einhergehenden Erfahrungsschatz verpasst, oder eben eine Zusammenkunft von drei Griechen mit der wortwörtlichen Schnapsidee: eine Bar in Zürich. In diesem Falle sind das Vangelis Dimitris, Aineias Chilas und Stylianos Kalemis – allesamt seit gefühlten Ewigkeiten in der Gastronomie tätig, allesamt wollten sie mehr.

Das Late Bloomers liegt im Zürcher Stadteil Aussersihl
Das Late Bloomers liegt im Zürcher Stadteil Aussersihl
Ein Relikt aus Neonröhren als Erinnerung an die Vergangenheit des Ortes als Bordell
Ein Relikt aus Neonröhren als Erinnerung an die Vergangenheit des Ortes als Bordell

Jeder hat ein höchstes Ziel

Und zwar in “Züri”; das liegt, aus griechischer Sicht, weder geographisch noch sprachlich nahe. In puncto Szene allerdings schon. Vangelis kam vor sechs Jahren von Oslo, wo er damals an verschiedenen Tresen arbeitete, nach Zürich, Stylianos, sein bester Freund seit Schulzeiten, folgte ihm ein Jahr später aus Athen– und zwar von keinem geringeren Ort als dem The Clumsies.

„Wir hängen das nicht an die große Glocke und erzählen das eher, wenn man sich einmal gemütlich trifft“, erzählt Vangelis bei einem Baklava Habibi. Er benutzt dabei das Wort „servant“, was – bei aller Deutungsvielfalt – eine klare Haltung aufweist, die sich auch im Charakter der im Herbst 2022 eröffneten Bar niederschlägt: Konzentration und Demut sowie Sinn für die Sache. All dies dabei auf die möglichst entspannteste Art und Weise. Sie sind Freunde des gesprochenen Wortes und verlassen sich darauf, dass Menschen sprechen. Da wird schon auch einmal etwas Richtiges dabei sein. In diesem Falle hat das funktioniert und die Bar ist schon jetzt Café, Bar und Wohnzimmer des wissenden Aussersihlers.

Aussersihl wiederum ist ein bisschen das Kreuzberg Zürichs: Hier darf es länger, lauter und lockerer zugehen als in der sehr schmucken und beschaulichen Innenstadt. Die Bar ist in einem ehemaligen Bordell im Rotlichtviertel untergebracht, die Damen um die Ecke kennen das Late Bloomers jedenfalls schon allzu gut, wenn man sie nach dem Weg fragt.

Aber zurück zum Namen: Den eigentlich längst reifen, aber unbedarften Spätzünder kennen wir: „Das ist die vielleicht ein bisschen negative Seite. Andererseits”, so Vangelis, „hat man dann noch immer diesen jungen Geist, das Kindliche und die Freude an den Dingen, das ist nicht so schlecht.“ Darum ziert die Karte auch ein Zitat von Oprah Winfrey, das besagt: „Everyone has a supreme destiny. Late Bloomers are those, who find their supreme destiny on their own schedule, in their own way.“

Wir sind also alle Spätzünder. Das Logo indes bezieht sich auf die Schildkröte aus Äsops „Die Schildkröte und der Hase“ – und wie dieses Rennen ausgeht, wissen wir.

Der liquide Kern im Late Bloomers besteht aus elf Signature Cocktails
Der liquide Kern im Late Bloomers besteht aus elf Signature Cocktails

Late Bloomers

Dienerstrasse 20
8004 Zürich

Mahlap und Masticha

Die Drinks sind für Vangelis die „Cherry on the cake“, weil der Vibe dieses Ortes stark von der guten Atmosphäre und den Menschen, die sie prägen, geformt werden soll. Zusätzlich gibt es feinst kuratierten Kaffee einer lokalen Rösterei und Bagels. Wer Metsovone-Käse noch nicht probiert hat – das ist ein halbhart geräucherter Pasta-Filata-Käse – sollte sich mit diesem auf Gebäck eine solide Grundlage für die Drinks verschaffen.

Wohingegen nach Wunsch und Bestand kredenzt wird, besteht die Karte aus elf Signature Stories, versehen mit ihrer konkreten Geschichte. Im Falle des „Tsoureki Colada“ ist da beispielsweise die Rede von Palmen, Aromen aus dem Nahen Osten und Teenager-Erinnerungen an Tsourekis – ein süß-herbes Hefeteilchen, das man in Griechenland oftmals an Ostern isst. Der Drink ist ein orientalischer Twist einer klassischen Piña Colada, wobei Mahlap und Masticha – Hauptingredienzen von Tsoureki – eine große Rolle spielen, außerdem mit Tonka aromatisierter Rum, salzige Kokoscreme und Ananassoda. So kann sich ein Abend an der Limmat auch anfühlen. Da kommt man schon einmal auf Ideen. Bei den drei Athenern hat es, sobald alle in Zürich angekommen sind, sofort geklickt. Der Dritte im Bunde, Aineias Chilas, hatte mit dem 7 Jokers die erste Speakeasy Bar Athens eröffnet und kennt sich mit der Avantgarde am Tresen aus. Kennen- und mögen gelernt haben sie sich in der aktuellen Trias erst in Zürich, vereint auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Perspektiven als im Heimatland und nach einer Veränderung, nach neuen Herausforderungen.

Reduziert und Rotlicht

Da haben sich also drei Schildkröten getroffen, die etliche Erfahrungen an den bekanntesten Bars weltweit gesammelt haben, aber der lang gehegte Traum war noch nicht erfüllt. Der steht da nun, haptisch greifbar, in einem Raum mit Tresen und Holzinterieur, beschallt von Nineties-Hip Hop, und einem neuen Leben in diesem neuen Wohnzimmer steht wenig entgegen. Außer der Realität, vielleicht. Denn Zürich ist bekanntlich teuer und unter 19 Euro für einen der Signature Drinks geht es nicht. Für den Zürcher geht das in Ordnung, denn das Gehalt passt sich ein klein wenig an; für den Besucher tut das kurz weh, wird aber schnell belohnt.

Wie beschreibt sich also die Handschrift einer Bar mit einem so breit aufgestellten Menü an Signatures? „Nun, Nachhaltigkeit ist kein Trend, es ist eine Voraussetzung“, so Vangelis. Sie versuchen es lokal, saisonal und bio. Sprich, mediterraner Grundgedanke mit lokalen Zutaten. Außer, wenn es sich beispielsweise um die Kumpels von Three Cents (die Fillermarke wurde in Griechenland gegründet, Anm.) handelt, mit denen im Late Bloomers ausschließlich gearbeitet wird, wenn es um Soda geht. Mit einem Blick auf die Nachhaltigkeitsagenda des Athener Quartetts fühlt sich aber auch das nicht direkt nach einem „Deal Breaker“ an – übrigens ein anderer Drink auf der Karte, bestehend aus Rum, Pandan und Cola. Mit dem kommen wir dem Signature-Vibe der Sache näher.

Von Competitions sind sie, im Grunde genommen, nicht allzu große Fans; dafür haben sie allerdings schon recht viel gewonnen. Als „bester Cocktail der Schweiz 2023“ wurde zuletzt ein Drink von Stylianos bei den Swiss Cocktail Open gekürt, sein „Sloe and Steady“ auf Basis von Sloe Gin, Whisky, Goldmelisse und Limette wurde gelobt, weil er für „sehr reduziert und elegant, aber trotzdem komplex und in idealer Balance“ seitens der Jury aus unter anderem Daniel Staub befunden wurde. „Man muss nicht überall mitmachen und dabei sein, aber man sollte ein Auge darauf haben“, findet Vangelis.

Ankommen im Late Bloomers

Sie mögen ein eigensinniges Konzept haben – aber es funktioniert. I Got 5 On It hören und exzellente Drinks einnehmen, in einem ehemaligen Bordell residieren, und auf dem Sofa fläzen. Als Relikt und Hommage bleibt auf der Toilette ein Kunstwerk aus roten Neonröhren bestehen; als Tribut an alle, die in diesem Gebäude gearbeitet haben. Auf dass alle Spätzünder:innen und Schildkröten irgendwann einmal dort ankommen, wo sie sein wollen.

 


 

Angelo Martinelli ist ein weitgereister Bartender. Aber ihm war klar, dass er eines Tages eine Bar in seiner Heimat Heidelberg eröffnen möchte. Das hat er nun getan – und sie der Einfachheit halber nach sich selbst benannt.

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