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Die Illusion der Erinnerung: Der Remember the Maine Cocktail



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er Remember the Maine Cocktail ist nach einem gesunkenen Schiff benannt und die süße Verbindung zweier Klassiker. Sowohl Spuren von Manhattan als auch Sazerac finden sich in dem Drink wieder. Und das mit beeindruckendem Resultat.

Erinnerungen sind Interpretation. Dieser in Worten spärlich bekleidete Aphorismus birgt eine erdrückende Wahrheit. Nicht zuletzt ist die Erinnerung doch vor allem das subjektive Medium, um die Vergangenheit zu verarbeiten, und in ihrer Auslegung dabei völlig individuell. So oder so ähnlich gesagt verknüpft ein jeder mit bestimmten Momenten ein bestimmtes Gefühl und ist dabei seinem Nächsten verbunden, oder eben nicht. Und häufig handelt es sich dabei um ein Wechselbad der Gefühle.

Remember the Maine Cocktail

Zutaten

6 cl Rye Whiskey

1,5 cl roter Wermut

1 cl Cherry Heering

0, 25 cl Absinth

Nach einem Schiff benannt

War Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA die Rede von „Maine“, wurden zunächst grausame Erinnerungen wach. Groß war die Wut und das Bestürzen über den Angriff der spanischen Armee im Jahre 1898 auf Kuba, der den Untergang des US-amerikanischen Navy-Schiffs USS Maine zufolge hatte. Amerika war angegriffen und geschwächt. Ein Moment, zum Vergessen bestimmt. Doch in ihrem Zorn über den kostbaren Verlust, der sich auch in Schlachtrufen „Remember the Maine, to hell with Spain“ manifestierte, lag der Auslöser für den Spanisch-Amerikanischen Krieg – obwohl übrigens nie wirklich geklärt wurde, ob tatsächlich auch die Spanier das Schiff zerstört hatten. Möglicherweise Fake News, genutzt für den Kriegsbeginn.

Wie auch immer es gewesen ist, die Amerikaner gewannen den Krieg, geschlagen mussten die Spanier die Insel verlassen. Kuba erlangte seine Unabhängigkeit und der Rest der Geschichte ist bekannt. Im Schnelldurchlauf: Zügellose Freiheit, frivoles Spielerparadies, mächtige Mafiastrukturen, kommunistische Revolution. Lassen wir letztere außer Acht, so ist die Entwicklung nach dem ursprünglichen Kriegsende eine, auf die Amerikaner gerne zurückblicken, in der sie schwelgen. Und so kann ein und dieselbe historische Tatsache einen derartigen Gemütswechsel hervorbringen.

Ab an die Bar …

Bei so viel Geschichte bekommen wir direkt Durst. Und nehmen wir das Sprichwort vom Anfang noch einmal wörtlich, so lässt sich seine Aussage auch auf Drinks übertragen: „Erinnerungen sind Interpretationen“. Denn jede Huldigung eines Klassikers und seine Abwandlung ist doch eigentlich nichts anderes. Wir denken uns den Cocktail neu und subjektivieren ihn. So sind sie entstanden, Toronto, Bronx, oder eben auch der Remember the Maine.

Technisch ist der Cocktail nämlich nichts anderes als ein simpler Twist auf den Manhattan. Doch könnte er eigentlich mit seinem Gehalt an Wermut und Absinth auch ein Twist auf den Sazerac darstellen. Wem auch immer der Remember the Maine huldigt, er ist ein teuflisch guter Drink. Zu einem Rittenhouse Bottled-in-Bond-Rye mit knackigen 50 % Vol. gesellt sich der Verbund aus einem roten Wermut und Cherry Heering. Skeptisch kann man bei dieser Kombination durchaus sein, mutet sie doch zunächst recht süß an. Deswegen liegt die Kunst auch darin, einen herben, trockeneren roten Wermut zu wählen und seine süßlichen Nuancen durch den Cherry Heering zu untermalen. So hat man in dem Wermut dann auch eine Brücke zwischen Rye Whiskey und Likör.

Letztlich ist es jedoch der Absinth, der dem Cocktail die charakterliche Tiefe verleiht. Und auch hier sei anzumerken: weniger ist mehr. Das vorgekühlte Glas einfach mit ein bis zwei Dashes benetzen und ausspülen oder mit einem Bestäuber vorsichtig auf die Drinkoberfläche schichten; die Anisnoten anschließend mit den Fruchttönen der Orangenzeste den Drink auf verheißungsvolle Weise ankündigen lassen.

Remember the Maine, drink it again!

Und so steht der Cocktail symbolisch auch für das Diktum „Remember the Maine“ aus amerikanischer Sicht: Zunächst verdammt und anschließend im Verlaufe der Geschichte zur positiven Rückschau gewertet – hochprozentig wie auf Kuba zu Zeiten Lucky Lucianos.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich 2018 veröffentlicht. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er mit einem neuen Foto versehen und inhaltlich minimal adaptiert. 

 


 

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