Stuttgart, Nabel der Armagnac-Welt? Zumindest im deutschsprachigen Bereich trifft das zu. Denn am 24. Mai findet in der schwäbischen Metropole zum bereits dritten Mal das German Armagnac Festival statt. Wer auf der Suche nach einer kleinen, aber feinen Lieberhaber:innen-Messe ist, ist hier richtig: Armagnac, die nach wie vor unterschätzte Spirituose aus der Gascogne, besticht durch handwerkliche Herstellung und hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnisse. Mit-Organisator Sascha Junkert erklärt im Interview, was zu erwarten ist und auf welche Geheimtipps er sich besonders freut.
MIXOLOGY: Lieber Sascha, das ist euer drittes German Armagnac Festival – was sind die Learnings bisher?
Sascha Junkert: Die Leute haben richtig Bock auf Armagnac! Im ersten Jahr hatten wir richtig Bammel, weil wir so gar nicht einschätzen konnten, wie viele Leute vorbeikommen würden und ob sich die ganze Arbeit, sowie die lange Anfahrt der französischen Produzenten, überhaupt lohnen würde. Erfreulicherweise war diese Sorge komplett unberechtigt und hat uns gezeigt, dass wir im dritten Jahr deutlich entspannter sein können. Lustigerweise hat uns der Underdog-Status auch sehr geholfen. Viele Besucher:innen waren im ersten Jahr zwar gespannt auf das Festival, hatten aber noch keine konkreten Vorstellungen, was sie erwarten würde. Der direkte Austausch mit den Produzenten und Abfüllern, sowie die große Auswahl von über 250 Armagnacs, konnten dann sehr schnell begeistern. Bei wie vielen Spirituosenmessen hat man heutzutage noch die Chance, mit den Personen zu sprechen, die für die Herstellung direkt verantwortlich sind?
MIXOLOGY: Wie haben sich die Besucherzahlen in den ersten zwei Jahren entwickelt?
Sascha Junkert: Als wir die Idee zum ersten Mal im Team besprochen hatten, sollte es noch ein kleines Community-Treffen mit vielleicht 50 Leuten werden. Letzten Endes waren es im ersten Jahr dann knapp 220 Leute und wir waren überglücklich, dass das Event so gut ankam. Letztes Jahr waren es etwas über 300 Personen, und dieses Jahr sieht es ganz danach aus, als würden wir die 400 knacken. Immer noch deutlich weniger als bei den großen Whisky- und Rum-Festivals, aber dafür, dass Armagnac quasi niemand kennt, sind wir super zufrieden.



MIXOLOGY: Ihr bzw. Teile eures Teams sind Armagnac-Enthusiasten, bringen selbst Abfüllungen heraus. Wie ist die Liebe dazu entstanden?
Sascha Junkert: Ich habe mich schon immer querbeet für Spirituosen interessiert und habe vor vielen Jahren einen Armagnac in einer Bar probiert. Das hat die Neugierde geweckt und ich habe dann mit meinen Rumkumpels einige Flaschen Armagnac direkt aus Frankreich bestellt, um diese zusammen zu probieren. Das hat uns erstens gezeigt, wie unterschiedlich die Spirituose sein kann und dass man eine irre Qualität für verhältnismäßig günstige Preise erhält. Von da an hatte ich immer mehr Produzenten kontaktiert, ob diese nicht ein paar Flaschen nach Deutschland schicken können. So ist dann 2021 Armagnac.de und Grape of the Art entstanden und 2022 haben wir mit der Planung fürs Festival angefangen.
„Aktuell sind noch viele Jahrgänge günstiger verfügbar. Unter 200 Euro für Jahrgänge aus den 1970ern – bei Rum und Whisky undenkbar.“
Sascha Junkert
MIXOLOGY: Wie kann man diese Liebe am besten weitervermitteln, was macht Armagnac so besonders für euch?
Sascha Junkert: Die Qualität, die gute Verfügbarkeit von (alten) Jahrgängen und die Menschen hinter den Weingütern. Armagnac bietet mehrere hundert winzige Produzenten, die oft nur 5 bis 10 Fässer pro Jahr herstellen. Meistens besitzen die Weingüter wegen der kleinen Mengen nicht mal eine eigene Alambic Armagnacais (der traditionelle Destillationsapparat in der Gascogne, Anm.), sondern sie arbeiten mit mobilen Destillateuren, welche von Weingut zu Weingut fahren, um zusammen mit den Winzern den Armagnac zu destillieren. Wir sagen unseren Kunden öfters: 'Was manch andere fürs Marketing gerne etwas ausschmücken, ist in Armagnac tägliche Normalität.' Hier gibt's keine Besucherzentren, sondern man wird direkt im Fasslager oder in der Wohnstube empfangen. Die Destillation ist nicht computergesteuert, sondern zwei Destillateure wechseln sich in 12-Stunden-Schichten ab, um rein per Temperatur und Bauchgefühl die Alambic zu steuern – nicht selten sogar mit Holz befeuert. Vor allem macht jeder genau den Armagnac, den er am liebsten trinkt. Es wird nichts auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen optimiert, was sich direkt in der enormen geschmacklichen Vielfalt bemerkbar macht. Aktuell sind wir als Genießer:innen in der glücklichen Lage, dass aufgrund der geringen Nachfrage noch viele Jahrgänge günstig verfügbar sind. Selbst Jahrgänge aus den 1970ern bekommt man für deutlich unter 200 Euro – bei Whisky und Rum undenkbar geworden. Hier kann man sich also noch richtig austoben und viele versteckte Schätze entdecken. Quasi wie vor einigen Jahren bzw. Jahrzehnten, als die heute gefragtesten Rums und Whiskys in den Regalen verstaubten, weil sich niemand für alte Caroni oder Springbank interessierte.
MIXOLOGY: Geht es euch bei dem Festival mehr um Spirituosen-Kenner:innen - oder auch Leute, die Armagnac nicht kennen?
Sascha Junkert: Viele unserer Besucher:innen haben 2023 tatsächlich zum ersten Mal Armagnac probiert oder sich ernsthaft damit auseinandergesetzt. Hauptsächlich sprechen wir natürlich die Enthusiasten und Nerds an. Die meisten unserer Besucher/Kunden sind langjährige Fans von Rum oder Whisky. Das merkt man auch an den Ausstellern und den präsentierten Armagnacs. Fassstärke trifft auf eine große Bandbreite an Jahrgängen. Trotzdem gibt es für Einsteiger eine sehr schöne Auswahl. Nur bei Fans von gesüßten Rums wird es oft schwieriger, da bei Armagnac wenig mit Zusätzen gearbeitet wird.
„Viele Bartender:innen haben wenig Erfahrung mit Armagnac, die Gäste fragen nicht aktiv nach Armagnac-Drinks.“
Sascha Junkert
MIXOLOGY: Wie kriegt man Einsteiger:innen am besten an Armagnac ran?
Sascha Junkert: Probieren lassen, dann sind die meisten direkt begeistert! Das Hauptproblem von Armagnac ist, dass die meisten die Kategorie gar nicht kennen oder man keine Chance hat, eine breitere Auswahl zu probieren. Wenn wir auf anderen Messen unterwegs sind, hilft uns unsere langjährige Leidenschaft zu Spirituosen, da wir schnell Brücken zu bekannten Lieblingen schlagen und so die Menschen abholen können. Zwar steigen die meisten nach den ersten Proben nicht direkt um, sind aber zumindest so weit begeistert, dass sie sich zukünftig weiter mit Armagnac beschäftigen werden oder auch direkt eine Flasche mitnehmen.
MIXOLOGY: Arbeitet ihr mit Stuttgarter oder anderen Bars zusammen, und wenn ja was darf man erwarten?
Sascha Junkert: Unseren Armagnac findet man beispielsweise im BIX oder im Weißen Ross in Stuttgart, als auch in der Wagemut Kavalierbar in Wien. Das Thema Bars steht allerdings noch ziemlich am Anfang. Viele Bartender haben wenig Erfahrung mit Armagnac, die Gäste fragen nicht aktiv nach Armagnac-Drinks und die Preise für ungelagerte oder junge VS/VSOP-Qualitäten sind meist teurer als das, was man von anderen Spirituosen gewöhnt ist. Die Herstellkosten sind durch die winzigen Mengen und vor allem auch durch das Risiko beim Weinanbau deutlich höher, was sich auch in den Verkaufspreisen widerspiegelt. Dort einen Fuß in die Tür zu bekommen, ist nicht einfach. Das Team rund um Alexander Stein ist mit Marquis de Montesquiou aber sehr aktiv und ich bin überzeugt, dass Cocktails und Bars für Armagnac noch richtig spannend werden.
MIXOLOGY: Eure drei Geheimtipps, die man auf eurem Festival unbedingt kosten muss?
Sascha Junkert: Bei der großen Auswahl gar nicht einfach zu beantworten. Nicht verpassen sollte man auf jeden Fall den Le Passeur St. Martin 1992, die drei Dame Jeanne Releases von L'Encantada und allgemein die Armagnacs von LaRoche-Vacquié – bisher selbst bei Insidern absolut unbekannt!
MIXOLOGY: Etwas, das ihr unbedingt noch loswerden wollt?
Sascha Junkert: Probieren! Wer nicht zum Festival kommen kann, aber trotzdem neugierig geworden ist, kann sich gerne bei uns melden. Wir stellen gerne individuelle Tasting-Sets zum Reinschnuppern zusammen.
MIXOLOGY: Lieber Sascha, vielen Dank und gutes Gelingen für euer Festival.





