Der neue Humboldt Gin aus dem Haus der Spreewood Distillers ist ein liebevolles Projekt, dass sich dem Erbe des großen Mannes mit Würde und Ehrfurcht nähert. Wir haben probiert, gefragt und vor allem gestaunt.
Der Erdkunde- und Biologie-Unterricht wird 250 Jahre alt. So oder so ähnlich hätte man den Geburtstag von Alexander Humboldt feiern können, einem der wichtigsten Naturwissenschaftler und Geografen aller Zeiten. Und es ist nicht so, als hätten die akademischen Biedermänner es nicht versucht.
Da gibt es zum Beispiel die „Intervention im Mineralien-Saal“, eine Ausstellung von Steinen. Oder die Führung durch Büros (ja, Sie lesen richtig) der Berliner Humboldt-Universität. Und so sind auch im Humboldt-Jahr der universitären Langeweile keine Grenzen gesetzt. Gäbe es da nicht die neue Mafia junger, urbaner Eltern, die aus völlig ungeahnten Netzwerken schöpfen können. Aber von Anfang an:
»Wir werden keinen Gin machen.«
– Das haben die Spreewood Distiller Lohr, Heuser und Brack eigentlich versprochen

Der Prenzlauer Berg als Keimzelle von Humboldt Gin
Prenzlauer Berg, das muss auch von einem nachgeborenen Neuköllner neidlos anerkannt werden, ist und bleibt der Schmelztiegel der Innovation. Denn auch nachdem es im ehemals fernen Osten der Hauptstadt, wie wir alle wissen, familiär geworden ist, denkt in den Köpfen der Mamas und Papas der vielen Merles und Alexanders weiter ein Pioniergeist, der ohne Umschweife mit The Greatest Generation überschrieben werden muss.
Botanicals zwischen Rest-Punk und Ruhestörung
Hier, zwischen Rest-Punk und Ruhestörung, entstehen bis heute, bei allem Ekel, den das Viertel hervorzurufen in der Lage ist, immer noch die spannendsten Abschnitte von Morgen. Zum Beispiel in einem Kindergarten, in dem zwei Väter aufeinandertreffen und über Gin sprechen. Das ist eigentlich keine große Erwähnung wert. Wäre nicht der eine der beiden David Blankenstein gewesen, der als wissenschaftlicher Experte das offizielle Humboldt-Jahr mit kuratiert. Ja, und wäre der andere der beiden nicht Steffen Lohr gewesen, ein Drittel der Spreewood Distillers.
Blankenstein sieht das Potential für einen Gin, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum. Es gibt nur ein Problem: Die Spreewood Distillers sind im Herbst 2016 an den Start gegangen, mit dem expliziten Versprechen, keinen Gin zu machen. „Wir haben damals auch auf Bartender reagiert, die schlicht überrannt wurden von der Flut an Gins, die auch schon 2016 immer unüberschaubarer wurde. Deshalb wollten wir damit möglichst gar nichts zu tun haben“, erzählt Bastian Heuser, das zweite Drittel der Spreewood Distillers, heute mit Blick auf jene vollmundigen Worte.
Humboldt Gin: Natürlich aus Roggen!
Die Meisterbrenner konnten aber trotzdem überzeugt werden – und so erhält der große Forscher und Entdecker zum runden Geburtstag mit Humboldt Gin auch eine aromatische Hommage. Genauer gesagt: Humboldt Rye Dry Gin, denn schließlich dreht sich im Brandenburgischen Schlepzig alles um den Roggen als traditionelles Brenngetreide.
Die Kooperation mit dem Botanischen Museum und dem Botanischen Garten lief dann von der Konzeption bis heute. Heuser, Lohr und das dritte Drittel der Spreewood Distillers, Sebastian Brack, schauten sich in den Registern des Pflanzensammlers um und erforschten sozusagen den Forscher. Am Ende haben sie sich auf 21 Botanicals geeinigt, sieben davon sind Pflanzen, die Alexander von Humboldt auf seiner Amerikareise gesammelt hat: Epazote, Congona (Zimtpfeffer), Angostura- und Chinarinde, Guaraná-Samen, Piment und Blauer Salbei.

Wider den Wucher
Und neben den sieben Botanicals bringt Alexander von Humboldt auch noch seinen Abenteurergeist in Form eines Signature Drinks mit: 5 cl Humboldt Gin, Tonic Water und Eis von einem Gletscher nach Wahl, was zeigt: die Academia kann auch selbstironisch!
Zuguterletzt ist der klare Tropfen zu einem bemerkenswerten Preis zu haben. Freilich wird er nicht verramscht. Aber in Zeiten, in denen der Literpreis vieler neuer Gins gern um die 70 bis 80 Euro zu liegen kommt, ist die UVP von 22,90 für 700 ml Humboldt Gin geradezu eine Wohltat. Und irgendwie auch ein wenig im Sinne der Transparenz und Verbraucherbildung, wie Heuser begründet: „Eigentlich ist unser Thema ja Roggenwhiskey. Und manchmal ärgert es mich dann schon, wenn Kunden ohne mit der Wimper zucken 45 Euro für einen halben Liter Gin ausgeben, der für kaum mehr als Cent-Beträge produziert wurde. Und wenn der Whiskey-Produzent – der für Jahre lagern muss, in Hallen, die er womöglich zu bauen hat, in Fässern, die er zu kaufen hat – am Ende knapp berechnete 50 Euro für sein Spitzenprodukt veranschlagt, dann wird er mit bösen Augen angeschaut, als sei er die Mutter des Wuchers! Oder anders gesagt: Ich weiß ja jetzt, was es kostet, einen Gin herzustellen. Und uns war es wichtig, dass wir das auch in unserer Preisgestaltung berücksichtigen.“
Ein würziges Tribut an Alexander von Humboldt
Ein Gin also, den man sich leisten kann; einer, der auf einer Geschichte aufbaut; und einer, der so klar und fein und frisch schmeckt, dass er so vielseitig einsetzbar ist wie wenig andere. Sein Namensgeber hätte ihn in der Gin-Systematik sicherlich an prominenter Stelle platziert. Oder einfach getrunken.