In der letzten Inventur hatten wir die Verleihung der World’s 50 Best Bars bereits angekündigt, diesen Mittwoch war es so weit. Und der Bartross musste aus Berlin nach dem BCB auch nicht weit reisen: In der spanischen Hauptstadt Madrid wurde diesmal um die roten Schals gebuhlt. Als Sieger ging dabei das Handshake Speakeasy aus Mexico City hervor, das vor der Bar Leone aus Hongkong und dem letztjährigen Gewinner, dem SIPS aus Barcelona, die Nase vorne hatte. Wie bereits prognostiziert, landete keine Bar aus dem deutschsprachigen Raum in den Top 50. Schwamm drüber, wir springen in die dieswöchige Inventur.
Zehn Jahre Liquid Intelligence
Sind es wirklich „erst“ zehn Jahre? Oder doch eher „schon“ zehn Jahre? Es fühlt sich jedenfalls länger, als das Werk „Liquid Intelligence“ von Dave Arnold das Licht der Welt erblickt hat. Vielleicht rührt dieser Umstand daher, dass der 400 Seiten-Schmöcker voller Techniken vermutlich eines der einflussreichsten Barbücher der Moderne ist, wenn nicht sogar das einflussreichste Barbuch. Das Punch Magazine rekonstruiert nun die Geschichte, wie es zu dem Projekt kam – und es beginnt natürlich mit einem Lunch in New York, wo sich Herausgeberin Maria Guarnaschelli und Arnold treffen, der zu dieser Zeit noch Dozent am Culinary Institute of America war und seine wegweisende Bar Booker and Dax noch gar nicht eröffnet hatte. „Sie nahm mich unter Vertrag, bevor ich überhaupt einen Pitch hatte“, erinnert sich Arnold. Ein lesenswerter Beitrag und kleiner Spoiler: Offenbar ist eine zweite Ausgabe auf dem Weg. „Sie war schon vor einiger Zeit fällig, aber weil ich für alles ewig brauche, ist sie spät dran. Es sollte eigentlich zum 10. Jahrestag erscheinen, aber ich werde das Manuskript am 10. Jahrestag einreichen und so tun, als ob das noch zählt.“
Additive Free Alliance nimmt Tequila-Marken von der Seite
Aufmerksame Leser:innen unserer Inventur wissen, dass wir dem – mittlerweile ist das so zu bezeichnen – Krimi um die Deutungshoheit über Tequila ein besonderes Augenmerk widmen. Im Kern geht es dabei um die Arbeit von Tequila Matchmaker, der 2015 gegründeten Plattform des Ehepaars Scarlet und Grover Sanschagrin, die für Transparenz in der Tequila-Produktion eintritt und das vor allem mit dem Labeling „zusatzfrei“ („additive free“) erreichen will. Der mexikanischen Regulierungsbehörde Consejo Regulador de Tequila (CRT) ist das ein Dorn im Auge, denn per Gesetz darf jeder Tequila mit 1% Zusatzstoffen produziert werden, ob Süßstoffe, Eichenholzextrakt, Karamellfarben oder auch Glycerin. Nachdem Tequila Matchmaker von den Behörden bereits in die Zange genommen wurde und die Sanschagrins aus Sicherheitsbedenken mittlerweile in den USA leben, wurde das Ganze auf die Additive Free Alliance gehievt, um es unter zusatzfreie Agavenprodukten allgemein zu subsummieren. Aber von dort wurden die Tequila-Marken nun entfernt, wie VinePair berichtet – denn den mitmachenden (und häufig kleinen Brands) wurde vom CRT gedroht, ihnen die Geschäftsgrundlage zu entziehen. „Ich haben Kopien dieser Briefe zu erhalten, die das CRT an Marken und Brennereien geschickt hat“, wird Grover Sanschagrin zitiert. „Also haben wir eine Krisensitzung abgehalten und beschlossen, alle Tequila-Marken von der Liste zu streichen, um sie vor ihrer eigenen Regulierungsbehörde zu schützen.“
EU-Strafzölle als Gefahr für American Whiskey
Ein weiteres Beispiel, wie Spirituosen zu einem Spielball der Politik und ihren Strömungen werden können, offenbart sich aktuell zwischen den USA und der Europäische Union. Wie The Spirits Business berichtet, ist man in den USA – genauer beim Distilled Spirits Council of the US (Discus) – alarmiert, dass europäische Strafzölle die wieder erstarkten Whiskey-Exporte der letzten Jahre eindämmen könnten. Im Rahmen eines schwelenden Stahl-Aluminium-Streits wird die EU am 31. März 2025 einen Zoll auf amerikanischen Whiskey einführen, mit einem geplanten Satz von 50 Prozent. „In den vergangenen zwei Jahren, in denen die EU ihre Vergeltungszölle auf amerikanischen Whiskey ausgesetzt hat, sind die US-Whiskeyexporte in die EU um mehr als 60 % gestiegen, und die gesamten US-Spirituosenexporte haben im Jahr 2023 ein Rekordhoch von 2,2 Milliarden US-Dollar erreicht“, wird Robert Maron, Discus-Senior Vice-President für internationale Handelspolitik und Marktzugang, zitiert.
Bar und Brexit in Großbritannien
Wir bleiben etwas politisch, bzw. führen aus, wie politische Entscheidungen auf die Bar einwirken. In diesem Fall in Großbritannien. Edmund Weil, Betreiber der einflussreichen Bars Nightjar, Oriole und Switch, beschreibt dort in einem praxisnahen Text für das Class Magazine, wie sich der Brexit auf die Personalsituation in der britischen Gastronomie ausgewirkt hat. „Der Anteil der EU-Beschäftigten in unserem Unternehmen hat sich zwischen 2017 und 2024 von 80 % auf 40 % halbiert“, schreibt Weil, der in dem Text vor allem auch darauf eingeht, welche Tricks und Möglichkeiten es gibt, doch in UK zu arbeiten. „Wie eine Tür zugeschlagen wurde, öffnete sich eine andere; jetzt ist es möglich, von fast überall auf der Welt Visa für so Positionen wie Floor Manager oder Supervisor zu beantragen“, schreibt er, nicht ohne unerwähnt zu lassen, dass es trotzdem ein Behördendschungel ist – und auch kostenintensiv sein kann. Aber es sich lohne. „Wenn man bereit ist, die Investition in ein Visum für einen Facharbeiter zu tätigen, kann dies einige echte Vorteile mit sich bringen – nicht zuletzt die Loyalität. Ein Visum wird in der Regel für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren gefördert, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer faktisch an der Hüfte verbunden sind.“