It’s that time of the year again – ja, die Weihnachtszeit natürlich auch, die mit dem Aufpoppen von Weihnachtsmärkten und den unvermeidlichen Lichterketten und Liedern über Stadt und Land hinwegfegt, diesmal auch begleitet von winterlichen Schneemassen, die aktuell sogar den deutschen Süden lahmlegen. Wir meinen aber tatsächlich die Zeit für „Spotify Wrapped“, den Rückblick, den die Audio-Plattform einmal im Jahr für alle seine User:innen zur Verfügung stellt. Wir bei MIXOLOGY sind mit unserem Podcast auch auf Spotify, und die Zahlen, die wir bekommen haben, teilen wir gerne: 75 Prozent mehr Follower:innen, 32 Prozent mehr Hörer:innen, 44 Prozent mehr Streams und 251 Top-Fans haben Gabriel Daun und Nils Wrage auf sich vereinen können. Aus diesem Anlass haben wir via Instagram ein MIXOLOGY–Jahresabo unserer Print-Ausgabe verlost mit der Frage, welche Folge die Top-Folge, also die meistgehörte, des Jahres war. Die richtige Antwort: Es war Episode 25 mit Sven Riebel. Der oder die Gewinnerin wird in Kürze verständigt. Und somit springen wir in die News der Woche.
Tiki 2.0 und der Exodus aus Polynesien
Tiki, ein Wort, das Assoziationen nach Südsee, Hawaii-Hemden, voluminösen Rum-Drinks und Bars weckt, in denen all das neben Totenköpfen und Dschungeloptik in Szene gesetzt wird. Tiko 2.0 aber sagt: Hold my Tiku Mug! Denn das Punch Magazine zeichnet nach, wie sich moderne Tiki-Bars zwar ebenfalls dem Eskapismus verpflichtet sehen, aber eine schöngeträumte Südseewelt hinter sich lassen und stattdessen völlig eigene Welten erschaffen. „Ging es bei Tiki 1.0 darum, ein Bild einer Welt zu erschaffen, die es in Wirklichkeit nicht gab, so verzichtet Tiki 2.0 völlig auf die Wahrhaftigkeit der bekannten Welt“, schreibt Rachel del Valle, und listet Bars auf, die diesen Weg beschreiten. Als Beispiele nennt sie den Sunken Harber Club (stellt einen verlassenen Außenposten aus dem 19. Jahrhundert sowie ein Schiffswrack dar), Chopper (ein Forschungslaber, das sich der Erforschung der Artefakte einer Roboterzivilisation widmet, die einst in der Südsee lebte), Paradise Lost (eine Bar in der Unterwelt, die von Dämonen besucht), oder Mothership (Basislager einer Astronautenkolonie, die auf einem geheimnisvollen tropischen Planeten gestrandet ist). Tiki bedient sich also der Sciene Fiction, um sich neu zu erfinden.
Ist der Boom für Premium Tequila in den USA vorbei?
Die Meldung kommt etwas überraschend, da sich in den letzten Monaten die Zahlen von Rekordverkäufen und Verkaufsprognosen schier überschlagen haben. Aber das Analyseinstitut The IWSR stellt die Frage: Ist der Boom für Premium Tequila in den USA vorbei? Verkauft wird immer noch genug, aber das Wachstum habe sich rapide verlangsamt, so The IWSR. Während das Verkaufsvolumen von Spirituosen auf Agavenbasis in den USA im ersten Halbjahr 2023 weiter anstieg, würden die unteren Preissegmente nun ähnlich schnell wachsen wie die Premium-Plus-Segmente. „Da der wirtschaftliche Druck zunimmt und der Status des Neuen der Kategorie nachlässt, scheint die Zeit der schnellen Premiumisierung von Agaven in den USA vorbei zu sein“, wird Marten Lodewijks, von The IWSR USA, zitiert. „Die Expansion am oberen Ende verlangsamt sich und der Rückgang am unteren Ende hat sich in Wachstum verwandelt.” Kurzum: Die Menschen kaufen mehr günstigen Tequila. Das sei aber kein Zeichen, dass die Käufer:innen plötzlich wieder zu Mixto greifen würden, ganz im Gegenteil: Es ist vielmehr ein Zeichen, dass sich die Qualitäten insgesamt stabilisieren. „Mit zunehmender Reife der Tequila-Kategorie und einer wachsenden Zahl von Marken verbessert sich die Produktqualität insgesamt, und diese Verbesserung ist in allen Preisklassen zu beobachten“, so Lodewijks.
A Chinese Spirit Story
Eine Frage, mit der Menschen aus dem Bar- und Spirituosenbereich gerne gegenüber Laien punkten, ist die Frage nach der meistverkauften Spirituose der Welt. Whisky, Rum, Gin sind dann die Antworten, auf die man dann mit gelassener Geste entgegnet: nein, Baijiu. Die chinesische Nationalspirituose ist eben die meistverkaufte der Welt, weil eben auch die chinesische Bevölkerung die größte der Welt ist (oder vielmehr war, den Status hat seit Kurzem Indien inne). Richtig durchgesetzt oder gar etabliert hat sich Baijiu trotz mehrfacher Versuche in westlichen Ländern im Grunde nicht. Aber vielleicht ja nun? Wie The Spirits Business diese Woche in zwei unterschiedlichen Beiträgen veröffentlicht hat, wird zum einen Campari eine strategische Partnerschaft mit Wuliangye eingehen, dem größten Baijiu-Produzenten Chinas, während Camus Cognac und Gujinggong, die viertgrößte Hersteller Chinas, eine neue Destillerie namens Guqi ins Leben rufen. Campari und Wuliangye wollen Spirituosen aus ihren Kulturen in die jeweils andere bringen und gemeinsam Produkte kreieren, im September war das beispielsweise bereits der „Wugroni“, ein – wie der Name vielleicht schon verrät – Negroni-Twist mit Baijiu. Camus und Gujinggong wiederum wollen die „aromatischsten Whiskys der Welt“ herstellen und neue Techniken, Zutaten und Aromen verwenden, „die über die traditionellen Methoden der Whiskyherstellung hinausgehen”. Das mag auch nicht von ungefähr kommen. Laut Bericht verzeichnete der chinesische Alkoholmarkt 2022 einen Volumenrückgang von 4 Prozent, und es wird erwartet, dass Baijiu in den nächsten fünf Jahren weiter zu kämpfen hat, während andere Spirituosensegmente zulegen.
Ist Kokumi das neue Umami?
Wir werden der Sache in unserer ersten Ausgabe 2024 bereits Platz einräumen, verweisen an dieser Stelle aber schon mal auf einen Artikel im Class Magazine, in dem Charles Spence die Frage stellt: Ist Kokumi das neue Umami? Wer jetzt denkt, dabei handelt es sich um eine neue Geschmacksrichtung, irrt. Kokumi ist ein Pulver, das keinen Eigengeschmack mit sich bringt, sondern für ein, salopp gesagt, rundes und leckeres Geschmackserlebnis sorgt. „Obwohl der Begriff vor mehr als 30 Jahren zum ersten Mal im Englischen auftauchte, ist Kokumi insofern seltsam, als dass es im Gegensatz zu umami, das einen würzigen, salzigen, brotigen Geschmack hat, Kokumi-Verbindungen nach, nun ja, absolut nichts schmecken“, beschreibt Chares Spence. Es ist vor allem das vollere Mundgefühl, das bei vielen in der Lebensmittelindustrie für Begeisterung sorgt. Was letztlich die Frage aufwirft, ob Kokumi dies in Cocktails ebenfalls einbringen kann (Das Geräusch, das du hörst, ist das skeptische Naserümpfen des Milk Punch). Vielleicht hat der lange Leidensweg von Umami in die Anerkennung der westlichen Gaumen auch die Türen geöffnet, dass Kokumi, ebenfalls ein unbekanntes asiatisches Pulver, nicht das gleiche Schicksal widerfährt, das beispielsweise Mononatriumglutamat (MSG) passiert ist. Wie gesagt: Unser Sensorik-Experte Reinhard Pohorec sitzt bereits dran.