Brot und Rausch sind in der Menschheitsgeschichte untrennbar verbunden, alles beginnt mit der Frage, was wohl zuerst da war: der Brei, das Bier oder das Brot? Seit prähistorischen Zeiten ernährte sich der Mensch von einem Brei aus wildem Getreide und Wasser. Es wird vermutet, dass es die Ur-Menschen waren, die entdeckten, dass dieser Brei, wenn er längere Zeit stehen gelassen wurde, zu einem schaumigen Gebräu wurde, das auf der Zunge prickelte und für gute Laune sorgte. Auch im alten Ägypten war die Wirkung von Naturhefen bekannt. Es wird erzählt, dass der viel beschäftigte Gott Osiris, Herrscher über Unterwelt und Totenreich, sein Mittagessen aus Nilwasser und Getreide unter der ägyptischen Sonne vergaß. Als er den Brei später mit Begeisterung kostete, beschloss er, sein neu erworbenes Wissen mit der Menschheit zu teilen. So soll der Rausch in die Welt gekommen sein.
Der gute Begleiter durch rauschende Nächte
Unser Kolumenreihe beschäftigt sich in diesem Jahr mit der Kombination von Brot und Trunk als Barfood. Und wer da sucht, der wende seinen Blick gen Osten! Überreich ist dort die Tradition des fröhlichen Umtrunks, der immer von stärkenden Happen begleitet wird. So geht die gute Nacht in Verlängerung. In Litauen pflegt man beispielsweise die schöne Tradition, in Knoblauchöl geröstete Brotstreifen zu einer rezenten Käsecreme zu reichen. Dazu ein kaltes rubinfarbendes Baltijos-Bier der litauischen Brauerei Švyturys – so wird der Snack Kepta Duona zum abendfüllenden Vergnügen! Ähnlich kennt man das auch in der Tschechischen und Slowakischen Republik, Topinky, gebratenes Knoblauchbrot schmeckt dort zu Pilsener und Becherovka. In Finnland sind Roggen und Rogen Nationalheiligtümer. Das Land liegt an der nördlichsten Grenze für Getreideanbau und zum heiligen Brot wird dort gerne Smetana gereicht, saure Sahne, dazu den Kaviar-Rogen von Renken, Maränen, Forelle und Lachs. Aus Polen kommt die Zapiekanka: Die polnische Variante des französischen Croque-Sandwichs ist klassisch mit Champignons und Zwiebeln belegt und wird mit würzigem Käse überbacken. Pikantes Sauergemüse sorgt für Frische, charakteristisch ist der scharfe Ketchup, der vor dem Servieren im Zickzack über dem Sandwich verteilt wird.
Traumpaar aus Tschechien: Rohlíky & Pomazánka
Aus meiner Versuchsküche kommt aber an dieser Stelle ein tschechischer Traditionssnack, der bei aller gebotenen Rustikalität charmant auch durch die Nacht an der gepflegten Bar begleiten kann und – das wird ja immer wichtiger – auch bei dünner personeller Decke schnell aufgetischt ist. Unkompliziert ist die Angelegenheit auch in der Herstellung: ein König, wer einen Lebensmittelhandel mit tschechischen Spezialitäten in der Stadt hat: Das Rohlíky genannte Hybrid-Hörnchen aus Milchbrötchen und Croissant besticht durch eine feine Süße. Alle anderen wählen ein Trägerbrot der Wahl für den Hauptdarsteller: die Pomazánka!
Old Fashioned mit Paprika!
Klingt großartig, heißt übersetzt aber erst mal einfach »Brotaufstrich«, ein weites Feld! Basis sind oft weiche Butter, Frischkäse, bzw. ein körniger Quarkbruch namens tvaroh oder Hüttenkäse, das eine bringt die Cremigkeit, das andere eine erfrischende Säure. Besonders beliebt ist die traditionsreiche Budapešťská pomazánka mit Paprika, die man in Tschechin auch fertig im Supermarkt kaufen kann. Tatsächlich aber ist der Budapester Brotaufstrich eine ernste Angelegenheit: Familienrezepte werden über Generationen weitergegeben, die Rezepturen sind gut gehütete Familiengeheimnisse, wenn etwa die Urgroßmutter die einfache Creme noch um gehackte Kapern oder einen Hauch frisch geriebenen Meerrettich bereicherte und das Ganze vielleicht noch mit einem Schluck Gewürzgurkenwasser cremig rührte. Und wenn sie auch ein bisschen rustikal ist, unsere Creme, passt sie doch ganz ausgezeichnet in die Bar z.B. zu einem Old Fashioned oder zur Bloody Mary – oder einfach zwischendurch, damit der gute Abend in die Verlängerung gehen kann.
Dieser Beitrag von Stevan Paul erschien erstmals in der Ausgabe Mixology 3-2024. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er formal adaptiert, inhaltlich aber nicht verändert.
Weitere Beiträge aus der Serie
Teil 1: Clubsandwich Lasagne-Style
Teil 2: Katsu Sando
Teil 3: Budapešťská pomazánka