Nicht wenige Reisende schwärmen, wenn sie von Japan schwärmen, auch von dieser sensationellen neapolitanischen Pizza, die sie neulich in Tokio gefunden haben. Oder dem perfekten französischen Croissant, Weltklasse und natürlich aus einer kleinen Bäckerei in Osaka. Japaner sind Meister des kulinarischen Plagiats, angetrieben von einer Neugier auf die Welt, und das seit dem Beginn der Meiji-Zeit (1868–1912) und der Öffnung des Landes in Richtung Welt und Westen.
Go West!
Die Adaption von Gerichten aus anderen Ländern und Kulturen hat Tradition in Japan, so haben Ramen-Nudeln und die in der Alltagsküche beliebten Currys ihren Ursprung in China und Indien. Den japanische Klassiker Katsu Sando wiederum verdanken wir der westlich orientierten Yoshoku-Küche (»western-style«), die ab Mitte des 19. Jahrhunderts von den ersten Einwanderern inspiriert wurde. Küchenchef Kida Motojiro hatte 1899 erstmals die Idee, dünn geschnittenes Schweinefleisch mit Brot zu panieren und dann im Tempura-Stil zu frittieren. In Japans erstem Western-Style-Restaurant Rengatei in Tokio (das es bis heute gibt!) servierte er ab 1904 die knusprige Spezialität Tonkatsu mit dünn geraspeltem Kohl – und der japanischen Version einer BBQ-Sauce.
Die beste BBQ-Sauce der nächsten Grillsaison
Ob als vollwertiges Tellergericht oder eben als Katsu-Sando-Sandwich, es wird gerne Tonkatsu-Sauce dazu gereicht, eine fruchtige Würzsauce, die geschmacklich zwischen BBQ-Ketchup und britischer Worcestershire-Sauce liegt. Und hier geht die Sache mit den Details los. Denn wenn Japaner ein Schnitzelbrötchen nachbauen, machen sie sich erstmal Gedanken, ob und wie man die einfache Idee wohl verbessern könnte. Einen erheblichen Beitrag leistet die dazu gereichte Sauce, die ihre Raffinesse durch fruchtige Komponenten wie Apfel und Pflaume, Würze durch Sojasauce und Ingwer erhält – im Resultat eine der besten BBQ-Saucen, die ich kenne, in der Grillsaison rühre ich nichts anderes mehr an! Im Kühlschrank gelagert, hält die Tonkatsu Sauce mindestens drei Wochen, sie wird nach kurzer Lagerzeit sogar noch aromatischer.
Panko – Panierbrot aus Stromkreisen
Ein weiteres entscheidendes Detail ist das unfassbar knusprige Schnitzel, das sich mit Krautsalat und französischem (!) Rotisseur-Senf zwischen wolkenweichem Sandwichtoast findet. Vergessen sie das mitleiderregende Granulat aus Altbrot, das hierzulande als Semmelbrösel zu kaufen ist. Panko ist das Knuspergeheimnis und an dieser Stelle sind jene Supermarktketten zu loben, die Panko längst ganz selbstverständlich im Brotregal eingemeindet haben, gleich neben dem teutschen Panier. Panko (dt. Brotmehl) wird aus extra dafür gebackenem, rindenlosem Weißbrot gewonnen. Das wird nicht im Ofen gebacken, sondern durch einen Stromfluss zwischen großen Metallplatten „gegart“. Dabei entsteht die spezifische langflaumige Textur des Brotes. Die Pankobrösel sind dann deutlich größer und flockiger als heimische Semmelbrösel, sie werden dadurch besonders knusprig. Einige Panko-Sorten enthalten Aromastoffe und Glutamat, ein Blick auf die Zutatenliste lohnt für alle, die das nicht mögen.
Das Fleisch für das Supersandwich kommt in Japan vor allem vom Schwein, schön durchwachsen und in vielen Rezepten vorab mit Sake eingerieben. Günstiger Sake für die Küche findet sich mittlerweile auch in den Spezialitäten-Regalen gut sortierter Supermärkte. Hilfreich sind auch Sake-Minidosen oder Portionsfläschchen aus dem Asiamarkt. In der Bar dürfen es dann gerne hochwertigere Sake sein. Da passiert ohnehin gerade immer mehr, mit Drinks auf Basis von Sake, Shōchū und zitronigem Yuzu-Sake. Zu den allermeisten dieser Drinks dürfte das kalt gereichte Katsu-Sando-Sandwich passen, das sich prima vorbereiten lässt: Die gebratenen Schnitzel ruhen bestenfalls zwischen Küchenpapier, Krautsalat und Sauce dürfen ziehen und dabei besser werden. Nur gebaut werden sollte das Sandwich à la minute. Wieder so ein Detail.
Dieser Beitrag von Stevan Paul erschien erstmals in der Ausgabe Mixology 2-2024. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er formal adaptiert, inhaltlich aber nicht verändert.