Wer Stanley Kubricks A Clockwork Orange kennt, dem dürfte beim Begriff Moloko Plus etwas klingeln. In Frankfurt geht es dabei allerdings nicht um einen Drogen-Drink aus der Korova Milk Bar. Was sich die Bar in der Kurt-Schumacher-Straße im Stadtzentrum mit dem Filmklassiker teilt, ist der Status mit bewegender Geschichte.
Im moloko+ geht es aber deutlich friedlicher zu. Dabei erinnert das 1960er-Jahre-Interieur – allesamt Originale von Herman Miller, Vitra und Knoll – durchaus an die Kubrick-Ästhetik. „Modern Mid Century ist unsere Leidenschaft“, erzählen Tomislav „Tom“ und Bijankina Lerotic, Eheleute, Partners in Crime und seit 2012 Inhaber der Bar.
Für ein Leben unter Leuten
Die beiden sind bereits als Gastronomen-Kinder aufgewachsen. Toms Eltern hatten in den 1980ern ein Restaurant in Berlin – wo er von Kindesbeinen an auch aktiv geholfen hat. Im Jahr 2006 zog er dann nach Frankfurt, wo er die Position des Barchefs im moloko+ übernahm, bevor es ihn zwischen 2010 und 2012 zurück nach Berlin ins Michelberger Hotel zog, ebenfalls als Barchef.
Bijankinas Vater war Küchenchef in diversen Hotels und besaß ab 1995 sein eigenes Restaurant in Berlin-Prenzlauerberg. Auch ihr war die Mitarbeit in der familiären Gastronomie also immer vertraut, seit 25 Jahren sind Tom und sie inzwischen ein Paar. 2012 haben sie das moloko+ vollständig übernommen und stets daran getüftelt – beziehungsweise, es zurückgetüftelt. Denn die Entscheidung, die einstige Bar mitsamt Tagesbar wieder zu einer vollständigen Cocktailbar umzufrisieren, war nicht einfach – gerade mit zwei Kindern.
Von Tag auf Nacht
„Wir haben nach der Übernahme hart daran gearbeitet, die Qualität zu steigern; dabei wurde uns schnell klar, dass das Tagesgeschäft und die Bar nicht zusammenpassen – zumindest nicht für uns. Nach und nach haben wir neue Gäste gewonnen und alte verloren," so die beiden.
Denn seit das moloko+ im Jahr 2001 geöffnet hat, hat sich einiges getan. Von der anfänglichen klassischen Bar wurde sie um ein Frühstücksangebot zwischen 4 und 6 Uhr für Nightflys und Clubgänger erweitert – und dann stetig um kleine Gerichte aus der regionalen Küche ergänzt. Während der Pandemie und der mit ihr verbundenen Ausgangssperre bei Nacht war es dann sowieso klar, dass die kleinen Gerichte im Bistrostil weiterlaufen müssen.
Aber nicht für immer und nicht unter den Lerotics.
Zurück zum Charme ohne Chichi
Denn für die beiden hat das Konzept Tagesbar und klassische Cocktailbar nie vollständig harmoniert. Das Publikum hat sich naturgemäß sehr unterschieden und auch wollten die beiden zurück zum ursprünglichen Konzept der Bar, als der Ort noch eine Institution für Drinks war.
Gedacht, getan. 2022 folgte, wie bei so vielen Bars, die gründliche Renovierung und somit die Chance zur Neuerung – im Sinne von Back to the Roots. „Zwar wurden Dinge wie der Tresen modernisiert, aber ohne den besonderen Charme und den einzigartigen Charakter der Bar zu verlieren“, erzählen die Lerotics. Und nun, komplett ohne Küchenpersonal, konzentriert sich das moloko+ wieder auf das urprüngliche Konzept als Bar. Kaffee wird hier nur noch für den Eigenbedarf und für Espresso Martini gebraut. „Mit dieser Entscheidung haben wir so viel mehr gewonnen als verloren“, so die Betreiber, wenn sie sich auch von vielem verabschiedet haben.
Seit drei Jahren haben sie auch keinen Äppler mehr auf der Karte – "wir sind schließlich keine Apfelweinwirtschaft" – und diese Abgrenzung ist ihnen wichtig. Dennoch: Die hessische Ess- und Trinkkultur wissen sie zu schätzen, mixen mit Apfelbrand und auch die Grüne Soße war bereits Inspiration für viele Drinks. Die treibende Kraft hinter Kreations-Konzepten ist Julian Yücevardar, der Head of Prep. 2022 hatte er es mit einem von Grüner Soße inspirierten Drink sogar ins Deutschland-Finale der Patrón Perfectionists-Competition geschafft. Der Knackpunkt für ihn war, dass er nicht die ganze Kräutermischung verarbeitet hat, sondern nur einzelne Bestandteile. „Besonders der Sauerampfer hat es uns angetan und war auf fast jeder Karte zu finden. Je nach gewünschtem Geschmacksprofil werden die Kräuter dann destilliert, zu Cordials verarbeitet oder für Infusionen verwendet“, so Bijankina und Tom.


Fünfzig Kilo Blutorangen und Bergamotten
Was die Barkarte angeht, so fällt auf, dass hier auf Mezcal verzichtet wird – laut eigenen Angaben aber eher aus persönlichen Gründen. Agavendrinks finden durchaus auf die Karte, gerade auf Tequila-Basis. Generell wird im moloko+ gern mit Bränden und Spirituosen gearbeitet: „In süßen und sauren Drinks ersetzen sie aufwändigen Cordials oder nicht saisonale Produkte“, erzählen die Lerotics. Für sie sind Cognac-Drinks aus der Herbst- und Winterkarte nicht wegzudenken – „leider eine sehr missverstandene Spirituose und noch kein Publikumsmagnet.“
Im Sommer hingegen liegt der Fokus eher auf Low-ABV-Produkten wie Wermut, Sherry und Wein-Aperitivos oder Sake-Drinks, oftmals in Form von Highballs. Die Karte wechselt zweimal im Jahr, es gibt die Frühling- und Sommerkarte und die für Herbst und Winter. Prebatching steht hoch im Kurs bei der Erstellung des Menüs. Das ist vor allem Yücevardars Gebiet. Zu seinen Aufgaben gehören das Karbonisieren, Batchen und die Herstellung verschiedenster Zutaten. „Rund zwei Monate vor dem Menü-Launch konzipiert er zielgruppenorientiert, mit akribischer Beachtung des Wareneinsatzes und so nachhaltig wie möglich“, erklärt Bijankina.
Jedes Jahr werden bis Ende Februar bis zu fünfzig Kilo Blutorangen und Bergamotten eingekauft und durch Fermentation oder Destillation konserviert. So können Produkte, deren Verfügbarkeit durch eine kurze Saison begrenzt ist, das ganze Jahr über verwendet werden und die Vorräte, wenn sie dann aufgebraucht sind, durch saisonale Produkte ersetzt werden.
Ein Penicillin zum Erinnern
Für die Drinks, die es auf die Karte schaffen, gelten verschiedene Bedingungen: „Alle Zutaten müssen so verarbeitet sein, dass sie problemlos bis zu zwanzig Liter abgefüllt werden können und haltbar sind. Einfache und verständliche Zutaten; zugänglich und überwiegend saisonal.“
Die eher komplexen Getränke werden als Klassiker verpackt, um sie zugänglicher zu machen – wie etwa beim Penicillin. Hier bleiben vom Originalrezept nur wenige Zutaten übrig: Scotch weicht japanischem Whisky, Honig wird durch Bienenwachs und destillierte Ringelblumen ersetzt. Abr die Idee leuchtet ein und es ist mit Abstand einer der originellsten Penicillins, den ich je getrunken habe. Ein Drink, unterhaltsamer und origineller als einige Gesprächspartner etlicher Abende; sanfter im Umgang, kostbarer in der Verwendung von Lebenszeit und deutlich angenehmer in der Erinnerung.
Aropos Erinnerung – was hat eigentlich der Weggang der Kinly Bar mit der Barszene der Stadt gemacht? Jahrelang ließ sich Frankfurt als Barstadt schließlich nicht ohne diese Bar denken. „Ja, spätestens seit der Schließung des Kinlys hat Frankfurt an Relevanz als Barstadt verloren. Wir hatten das Gefühl, die Szene kam zu einem Stillstand, hat sich nun aber wieder erholt und wächst harmonisch zusammen“, findet Bijankina.
Ihrem Eindruck nach gibt es weniger Austausch mit der nationalen und internationalen Barszene: Es kommen weniger Bartender aus anderen Communities in die Stadt. „Wir arbeiten allerding aktiv daran, dies zu ändern. Viele Konzepte setzen mehr auf Quantität als auf Qualität. Es ist wie ein Teufelskreis: Die Bereitschaft, neue Konzepte umzusetzen oder neue Läden zu eröffnen, nimmt ab, aber wenn es keiner tut, ändert sich auch nichts. Die Szene in Frankfurt ist klein und verschlossen, deshalb freuen wir uns sehr, dass sie dieses Jahr wächst und wir immer mehr Teil davon werden.“
Im kommenden Jahr wird das moloko+ 25 Jahre. So richtig spruchreif ist die Planung um das Jubiläum noch nicht, doch wer die beiden sprechen hört, kann sicher sein, dass die Jigger dann nicht still stehen werden.
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