Rakshay Dhariwal lebt in Delhi, aber durch die „Pflege“ seiner anderen Bars, Restaurants und Brasserien tingelt er regelmäßig zwischen der Hauptstadt, Mumbai und Goa umher. Die Handschrift des erst 40-Jährigen sind vor allem Restaurants, wie etwa das Jamun in Delhi, in denen sich auch hochwertige Cocktails einverleiben lassen. Etwa mit Masala. Darüber hinaus hat er „Pistola“ ins Leben gerufen, der aus indischen Agaven hergestellt wird, sowie die India Cocktail Week lanciert. In deren Rahmen haben wir ihn zum Interview getroffen.
MIXOLOGY: Deine Karriere ist 2008 gestartet, als du das Franchise verschiedener Ayurveda-Wellnesszentren übernommen hast. Heute bist du einer der zentralen Gastro-Entrepreneure Indiens. Hattest du eine Strategie in Bezug auf Konzepte und Standorte, oder hat sich das Stück für Stück ergeben?
Rakshay Dhariwal: Was vor mehr als zehn Jahren mit Passcode Only begann – einer originalgetreuen, von New York inspirierten Speakeasy-Bar zu einer Zeit, als die Cocktail-Kultur in Indien noch in den Kinderschuhen steckte – ist bis heute zu einem Portfolio gewachsen, das so gut wie alle F&B-Kategorien abdeckt. Wir haben uns stets daran gehalten, jedes Jahr mindestens ein neues Konzept oder eine neue Marke einzuführen. Jedes unserer Food- und Beverage-Unternehmen basiert auf einem einzigartigen Konzept, das mit Authentizität und Hingabe zum Leben erweckt wird. Pass Code Hospitality, unser Mutterunternehmen, besitzt und betreibt heute 20 verschiedene Unternehmen in ganz Indien, darunter auch den exklusiven privaten Mitgliederclub À Ta Maison. Unser Ansatz ist stark strategisch geprägt. Meine Schwester, Radhika Dhariwal, und ich reisen viel, um weltweite Trends und Entwicklungen zu beobachten und diese Einflüsse nach Indien zu bringen. Ob Speakeasy-Bar, Agavenspirituose oder Cocktail-Festival – jedes unserer Unternehmen repräsentiert authentische und ursprüngliche Ausdrücke der F&B-Kultur aus der ganzen Welt, sorgfältig auf Indien zugeschnitten.
MIXOLOGY: Klingt durchdacht. Du hast Marketing und Telekommunikation studiert. Warum letztlich Gastronomie? Gibt es eine Verbindung zur Gastronomie durch Ihre Familie oder bestimmte Lebenserfahrungen?
Rakshay Dhariwal: Als Kind sind wir oft umgezogen und haben in Ländern wie Indien, Australien, Südafrika, Ungarn, den Philippinen und den USA gelebt und sind nebenher wahnsinnig viel gereist. In jedem Land habe ich Freude daran gefunden, Neues zu entdecken, das dennoch tief in der lokalen Kultur verwurzelt war. Diese Erfahrungen haben meine Kindheit in Hotels, Restaurants und lebendigen Gastroszenen geprägt. Da das Reisen so persönlich für mich ist, habe ich ein Gespür dafür entwickelt, das nächste große Ding im F&B-Bereich zu identifizieren und zu verstehen, was nötig ist, um solche Orte aufzubauen und wachsen zu lassen. In vielerlei Hinsicht entspringt dies einer tiefen persönlichen Verbindung und einem intuitiven Talent, kulturelle Vorreiter zu erkennen.
„Wirklich einzigartig für Indien ist der Innovationsgeist und die Neugier, globale Techniken zu lernen und zu integrieren, während jede Bar und Stadt ihre eigene Cocktail-Mikrokultur kultiviert.“
Rakshay Dhariwal
MIXOLOGY: Während unserer gemeinsamen Reise durch Delhi und Mumbai hat deine Crew oft Scherze darüber gemacht, dass du angeblich kein indisches Essen magst. Was hat es mit diesem Gerücht auf sich?
Rakshay Dhariwal: Das ist tatsächlich ein Missverständnis. Die Wahrheit ist: authentisches indisches Essen ist meine Lieblingsküche. Die Vielfalt, die die indische Küche bietet, ist meiner Meinung nach unübertroffen. Da ich mit 15 Expats gereist und gegessen habe, die nicht an die indischen Gewürze gewöhnt waren, habe wir Gerichte bestellt, die weniger scharf waren – also nicht authentisch. Ich liebe Schärfe und brauche sie definitiv, wenn ich authentisches indisches Essen esse. Die einzige indische Küche, die ich nicht besonders mag, ist die Gujarati-Küche, die tendenziell süßer und größtenteils vegetarisch ist.
MIXOLOGY: Würdest du sagen, es gibt einen indischen Signature Style beim Mixen von Cocktails?
Rakshay Dhariwal: Anstelle eines einheitlichen indischen Stils würde ich sagen, dass es eine charakteristische indische Cocktailkultur gibt, die sich in Bars und Getränke-Etablissements im ganzen Land rasant entwickelt. Indien beheimatet unglaublich talentierte Bartender, die ihre Kreativität durch Experimente mit einer beeindruckenden Bandbreite an einheimischen Zutaten unter Beweis stellen. Kürzlich haben wir auch die Pistola Duels II, einen internationalen Cocktail-Wettbewerb, veranstaltet, der die höchste Teilnahme gebracht und den Einfallsreichtum von indischen Barkeeper:innen gezeigt hat. Wirklich einzigartig für Indien ist der Innovationsgeist und die Neugier, globale Techniken zu lernen und zu integrieren, während jede Bar und Stadt ihre eigene Cocktail-Mikrokultur kultiviert. Diese dynamische Mischung aus Kreativität und regionaler Vielfalt formt die indische Cocktailszene auf eine aufregende Weise.
MIXOLOGY: Was würdest du persönlich gerne in der indischen Cocktail-Kultur ändern, und wie näherst du dich diesem Ziel mit deinen Ess- und Trinkstätten?
Rakshay Dhariwal: In den letzten zehn Jahren hat sich die indische Cocktail-Kultur vielversprechend entwickelt und wird sich weiter verbessern. Der nächste Schritt wäre, internationale Cocktail-Erlebnisse für das indische Publikum zugänglicher zu machen. Genau dafür sind wir bekannt – mit unseren Pop-ups, Bar-Übernahmen und Kollaborationen. Wir möchten dem indischen Publikum einen Geschmack globaler Trends bieten. Die indische Bar-Community ist sehr empfänglich für solche Einflüsse und nimmt sie oft mit kreativer Note auf – eine kulturelle Verschmelzung, die neue Grenzen eröffnet.
„In westlichen Bundesstaaten wie Gujarat ist der Alkoholkonsum gering, während er im Osten und Süden Indiens verbreitet und akzeptiert ist.“
Rakshay Dhariwal
MIXOLOGY: Kommen wir zu Pistola, deiner indischen Agavenspirituose – wann ist der entstanden und was war die Idee dahinter?
Rakshay Dhariwal: Maya Pistola Agavepura ist während der Pandemie entstanden. Die Entdeckung wilder Agave Americana auf dem Dekkan-Plateau ist der Idee zugrunde gelgen, die erste Premium-Agaven-Spirituose von Asien zu kreieren. Pistola wird destilliert in Andhra, reift in Goa und bietet meiner Meinung nach eine saubere, zusatzfreie und authentische Alternative zu herkömmlichen braunen Spirituosen – perfekt für moderne Konsumenten, die nach sinnvollen Genüssen suchen. Mit über 32 internationalen Auszeichnungen ist Pistola auch ein Beweis für das Potenzial Indiens, erstklassige Spirituosen zu liefern.
MIXOLOGY: Wie wird Pistola in Indien angenommen? Du sagtest kürzlich, dass der Export einfacher sei als der Verkauf in Indien. Woran liegt das?
Rakshay Dhariwal: Pistola wurde in Indien sehr gut angenommen, da das Interesse an Agavenspirituosen mit der wachsenden Cocktail-Kultur stark steigt. Was den Verkauf in Indien jedoch erschwert, ist das komplexe System der Bundesstaaten: Jeder Staat hat seine eigene Alkoholsteuerpolitik, was bedeutet, dass der Betrieb in acht Staaten so ist, als würde man in acht verschiedenen Ländern arbeiten.
MIXOLOGY: Spielt Religion eine Rolle bei der Produktion und dem Konsum von Alkohol? Gibt es Schwierigkeiten, die uns Europäern unbekannt sind?
Rakshay Dhariwal: Religion und Kultur spielen eine große Rolle bei den Konsumtrends in Indien. In westlichen Bundesstaaten wie Gujarat ist der Alkoholkonsum gering, während er im Osten und Süden Indiens verbreitet und akzeptiert ist.
MIXOLOGY: Planst du weitere Destillate? Was steht 2025 für dich an?
Rakshay Dhariwal: Wir konzentrieren uns jetzt darauf, die Vielfalt der Agavenspirituosen zu zeigen und unsere Präsenz auf neuen Märkten auszubauen.
MIXOLOGY: Was rätst du zukünftigen Barbesitzer:innen?
Rakshay Dhariwal: Kopiere niemals ein bestehendes Konzept – bleibe innovativ und passe dich dennoch an. Denke lokal und biete deinen Gästen ein einzigartiges, personalisiertes Erlebnis.
MIXOLOGY: Rakshay, danke für das Interview und alles Gute.