Das Adea Suites ist ein Projekt wie viele zwischen Arlberg, Kitzbühel und Turracher Höhe: Investoren können in eines der Appartements investieren und Skiurlauber in den einzelnen Zimmern absteigen. Die Lage des im Dezember eröffneten Hauses in Fieberbrunn könnte nicht besser sein. Es befindet sich direkt am Skilift, der Fieberbrunn mit den bekannteren Skiorten jenseits der Salzburger Grenze (Saalbach, Hinterglemm und Leogang) verbindet. Ungewöhnlich hat man die Gastronomie des auch für Nicht-Hotelgäste zugänglichen Neubaus gestaltet. Das signalisiert der Name Upside Down, das Menü dahinter hat der ewige „junge Wilde“ Stefan Marquard gestaltet. So gibt es hier keine Lachsforelle, sondern „Krach am Bach“. Für noch mehr Lärm allerdings könnte der Mann an der Bar sorgen. Will er aber nicht.
Die Stille kommt ihm sehr zugute
René Soffners Rückkehr in die Gastronomie wird – selbst von der PR-Agentur des Hotels – leise kommuniziert. Eigentlich gar nicht. Doch es lässt sich nicht verheimlichen: Statt Junkie-Geschrei im Bahnhofsviertel gehören nun Juchzer am Pistenrand zum Leben des Kinly Boy im vorläufigen Ruhestand. Denn eines macht René Soffner im MIXOLOGY-Gespräch klar: „Das Kinly wird ganz sicher wieder reaktiviert.“ Und nach den Erfahrungen als Unternehmer in Deutschland wird es wohl im Ausland sein, so viel lässt Soffner durchblicken. Doch aktuell gehört seine Energie dem Upside Down. Dass es dennoch kein Pop-up, keine Bottled Cocktails oder sonstige Nutzungen eines der zweifellos bekanntesten Bar-Namens Deutschlands gibt, hat sehr viel mit der Person dahinter zu tun. „Ich bin ein Mann harter Schnitte“, so Soffner, der das mit seiner Liebe zum Kampfsport – Mixed Martial Arts (MMA) – begründet. Auch dort gebe es keine Halbherzigkeiten: „Da wirst du auch von 17-jährigen Frauen verprügelt, wenn du nicht aufpasst. Und das tut manchmal gut!“
Dass das Gespräch über das neue (Berufs)Leben in den Alpen immer wieder auch auf Schläge und Tritte zurückkommt, hat mit dem Programm zu tun, das der Frankfurter nach dem Schließen der Bar im Dezember 2024 gefahren hat. „Ich habe meine Freizeit in einem Jahr nachgeholt“, indem er sich massiv dem MMA-Training hingegeben hat. „Für eine professionelle Kampfsport-Karriere ist es mit Mitte 30 aber zu spät“, sollte dieser Plan B zur Gastronomie ein Hobby bleiben.
Frankfurter „Bro‘s“ in Fieberbrunn
Dass der 36-Jährige nach den Monaten des intensiven Kickboxens und ausgiebiger Spaziergänge mit Hund Hector schließlich Stefan Marquard zusagte, hat auch mit der Struktur in Fieberbrunn zu tun: „Nach Jahren als Selbständiger genieße ich auch mal die Vorzüge als Angestellter.“ Erleichtert wurde der Wechsel über die Landesgrenzen auch von den Jungs vor Ort. Marco Zanetti a.k.a. Winepunk hat den Wein-Service über und hat Soffner schnell als Frankfurter „Bro“ ausgemacht. Und auch in der Küche wartet mit Luke Rogers „einer meiner besten Freunde“. Der auch aus Soffners zweitem Projekt, der 2023 geschlossenen Münchener Ménage, bekannte Brite fungiert im Adea als Sous-Chef von Sven Kahlert.
Die Konstellation in Tirol ist aber ein Glücksfall, der bereits vor dem Engagement des Kinly Boys ungewöhnlich war. Denn eigentlich machten sich die Immobilien-Entwickler Holger Götze und Helmut Horst auf die Suche nach einem Betreiber des Hotels. „Da haben sich viele die Klinke in die Hand gegeben“, so Götze, „und uns alle vorgerechnet, dass das ein gutes Geschäft wird.“ Eine Garantie für die Auslastung wollte aber niemand von den Hotelketten garantieren. Womit der ungewöhnliche Schritt erfolgte, das Haus in Eigenregie zu betreiben. Und das so, dass sich auch die Eigentümer als Gäste wohlfühlen. Daher wurde es auch „kein klassisches Consulting-Ding“, sondern ein neuer Tresen-Platz für René Soffner: „Ich wollte einfach dauerhaft vor Ort sein, um mal rauszukommen. Allerdings war es schon immer klar, dass ich konzipiere, begleite und spätestens im März übergebe. Kann gut sein, dass es weiter geht in anderer Form, da ich Stephan Marquard und die Menschen, die das Haus betreiben, sehr mag.“
Kreativ mixen ohne „Roti“
Was einen Blick in die aktuelle Getränkeküche von Fieberbrunn naheliegt. Denn es gibt weder Sous-Vide-Gerät noch Rotovap, wie Kenner der Kinly Boys wohl vermutet hätten. In den Bergen aber will Soffner „alle Buchstaben des Bar-ABC“ nutzen. „Und das reicht nun mal von A bis Z.“ An der Seite hat er ein internationales Team, das sieben Personen umfasst. „Die Kollegen aus Brasilien, der Ukraine oder Griechenland bringen neue Perspektiven aus ihrer Heimat ein – Patrick etwa macht herrliche Drinks mit Cachaça.“ Dass einer davon auch ausgebildeter Barista ist, erhöht die Möglichkeiten noch. Denn die Betriebsstunden sind lang: Spätestens nach der letzten Bergfahrt des Lifts unmittelbar vor der Terrasse füllen sich die Plätze, „da gibt es dann viel Champagner, aber auch Longdrinks zu 12 Euro“. Und mit Wasserkefir und Tepache wird auch schon fleißig die eine oder andere Basis eingekocht, die später für ungewöhnliche „Spritz“-Optionen beim Aprés-Ski sorgen soll. Auch das „Egg Shell-Soda“ gehört als hausgemachter Filler fix ins Programm – „hier kannst du das dank Küche und Frühstückseiern auch machen“.
Die günstige Preisgestaltung – auch Signatures im Upside Down liegen bei 15 Euro – ist Teil der ersten Phase. Ihr soll dann eine zweite Phase folgen, in der die Karte um Klassisches wie Sazerac, Rapscallion oder Blood and Sand aufgerüstet wird: „Aktuell gibt es einmal fünf davon als Teaser“, deren Basis Soffners Team aus der Umgebung bezieht. So bekommt der Queens Park Swizzle seinen Charakter von Tiroler Birnenschnaps. „Dass das bestens funktioniert, hat ja schon Willi Schöllmann vorgemacht“, unterstreicht der Barchef, dass man das Rad nicht neu erfinden muss. Da auch Holunderblüten im Spiel sind, ersetzt dieser Cocktail aber zugleich den Hugo als Angebot für die Terrasse.
Ölzucker und Obstler sind Freunde
Ein typischerer Soffner-Drink hingegen ist die Mezcal Margarita mit einer Guacamole aus Erbsen. Und so ganz nebenbei schult er die Crew auch in Sachen Zitronen-Kreisläufe. Man darf unterstellen, dass mit ihm auch erstmals der Oleo Saccharum in Fieberbrunn Einzug hielt. Er ergibt mit einem Sherbet einen Whiskey Sour, wie man ihn schon im Kinly genießen konnte. Der Ehrgeiz ist aber auch im kleinen Tiroler Skiort ungebrochen: „Das soll die einzig nennenswerte Bar im weiteren Umkreis werden.“ Einen Transfer der altbewährten Frankfurter Schule gibt es aber nicht.
Vielmehr sollen „Marillen-Bellini“ oder „Birnen-Mojito“ zeigen, wie gut alpine Brände auch in internationalen Rezepturen funktionieren. Statt großer Marken bleibt man gerne den Manufakturen treu. So steht am Rückbuffet der Orangenbrand von Spiritus Rex aus Holstein – eine alte Soffner-Liebe – neben den Osttiroler Kuenz-Schnäpsen oder einem Haselnuss-Destillat von Freihof aus Vorarlberg.
Im Zusammenspiel mit der Küche
Die Kombination von Restaurant und Bar hat René Soffner in den Pandemie-Jahren schätzen gelernt: „Das Ménage in München kam mit Delivery und Lukes Gastro-Angeboten besser durch die COVID-Monate.“ Dass er mit dem Kinly die seinerzeit amtierende „Bar des Jahres“ nicht schließen wollte, führte dann zum Umzug, der letzten Phase vor dessen Schließung. Auch wenn Soffner keineswegs ein Mann des wehleidigen Zurückblickens ist, fasst er die letzten Tage in Frankfurt in einem Satz zusammen: „Der Schwierigkeitsgrad für Selbständige ist in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch.“
Ein Punkt mehr, der für die Winter-Saison in Tirol spricht. Denn die will der 36-Jährige auskosten – nicht nur der Spaziergänge mit Hector („er liebt Schnee!“) wegen. Als das Gespräch in der sternenklaren Nacht auf seine für Philip Morris entworfenen „Heets“ kommt, ist diese Welt absurd weit weg von Fieberbrunn.
Und mit einem letzten Blick auf den Lärchspitzkogel scheint sie Soffner auch Null abzugehen.