Warum europäische Produzenten ihren Rye Whiskey nicht mehr Rye Whiskey nennen dürfen – und was sie dagegen unternehmen

Warum europäische Produzenten ihren Rye Whisky nicht mehr Rye Whisky nennen dürfen – und was sie dagegen unternehmen

Eine 22 Jahre alte Regelung sorgt für Tumulte: 100-prozentiger Rye Whisky aus Europa darf nun nicht mehr so heißen, solcher mit null Roggen aus Kanada hingegen schon. Der Kampf dagegen eint plötzlich sogar Konkurrenten.

So viel Publicity hatte der kanadische Whisky schon lange nicht. Kistenweise wird er als Ersatz für die z. B. in Ontario aus den Läden verbannten US-Whiskeys promotet. Buy Canadian ist eine Reaktion auf die Strafzölle, die Donald Trump seinen nördlichen Nachbarn verordnen will. Doch während sich die morgen erscheinende MIXOLOGY-Print-Ausgabe 2/2025 dem Austausch der Whiskys mit und ohne „e“ quer über die Großen Seen widmet, schauen eurpoäische Brenner mit wenig entspannten Gesichtern gen Ottawa. Am Anfang dieser Aufwallung stand lediglich ein Gerücht. Es war so schwach und unglaubwürdig, dass selbst versierte Spirituosenfachleute noch nie davon gehört hatten: „Die Bezeichnung Rye Whisky ist in Europa nicht zulässig!“

Eine „Neuregelung“, die seit 2003 galt

Grund dafür sei ein „neuer“ Deal mit der kanadischen Regierung, die sich diese Gattung allein für ihre heimischen Getreidebrände vorbehält. Einen Rundruf später herrschte darüber weitgehend Ratlosigkeit in der MIXOLOGY-Redaktion. Denn in der Tat findet sich ein Passus, der die unglaubliche These stützt. Dort heißt es recht unmissverständlich:

Nach […] dem Inkrafttreten dieses Abkommens erkennt die Gemeinschaft Rye Whisky als Namen an, der sich nur auf Spirituosen mit Ursprung in Kanada bezieht, und erlaubt die Verwendung dieses Namens nicht mehr für Spirituosen ohne Ursprung in Kanada“.

Allerdings ist das kein Auszug aus dem Handelsabkommen CETA, über das politisch viel diskutiert wurde und dem immer noch zehn Mitgliedsstaaten die Unterschrift verweigern. Rechtlich ist es zwischen EU und Kanada aber seit 21. September 2017 vorläufig in Kraft. Doch unter dem zitierten Roggen-Paragraf – Artikel 17 (2) des Abkommens über den Handel mit Wein und Spirituosen – findet sich vielmehr die Unterschrift des ehemaligen EU-Landwirtschaft-Kommissars Franz Fischler. Der amtierte bis 2004, das EU-seitig akzeptierte kanadische Monopol auf Rye Whisky unterschrieb er ein Jahr zuvor.

Jetzt ist es zwar skurril genug, dass eine derart wichtige Bezeichnungsregelung 22 Jahre weitgehend unbekannt blieb. Für die Brenner im „Roggen-Gürtel“, der von Deutschland quer über die Ostsee bis nach Russland und die Ukraine reicht, bedeutet das aber massives Ungemach: „Als wir das zum ersten Mal hörten, dachten wir, es sei ein Scherz“, formuliert es Alex Munch vom dänischen Whiskyhersteller Stauning. Roggen gehört zum absoluten USP der Brennerei in Westjütland. Nun bedeutet es Mehraufwand, wenn man einerseits die Zutaten eines Whiskys in der EU korrekt angeben will, andererseits aber im Export (z. B. in die USA) mit „Rye Whisky“ wirbt. Für kleinere Brennereien sind zwei verschiedene Label-Kreisläufe natürlich auch ein Kostenthema.

Protestschrei quer durch Europa

Entsprechend schnell wuchs sich die Affäre zu einem transeuropäischen Zusammenschluss der Whisky-Brenner aus. Bis dato haben sich dem Protest folgende 14 Hersteller angeschlossen: Kyrö und Helsinki Distilling Company (Finnland), Stauning, Reinheart und Thy Whisky (Dänemark), Spirit of Hven, Smögen Whisky und Agitator (Schweden), Slyrs und Stork Club (Deutschland), Zuidam/Millstone (Niederlande) sowie Farthofer, David Gölles und J. Haider (Österreich). Dem dürften ziemlich sicher noch weitere Whisky-Häuser folgen.Zumal das mit dem CETA-Abkommen erneute „Rye-Monopol“ jetzt kein Papiertiger mehr ist – und da geht es gar nicht um abmahnfreudige Rechtsanwaltskanzleien aus Deutschland: Finnland etwa lässt bereits jetzt die gemeinsame Verwendung der Wörter „Rye“ und „Whisky“ auf einem Etikett nicht mehr zu. Womit man bei der eigenartigen Situation landet, dass das weitaus beliebigere „Whisky“ verwendet werden muss. Welcher genau in der Flasche ist, bleibt dem Konsumenten verborgen.

Inkonsequent und auch verwirrend

In Dänemark ist der Wortlaut „Rye“ vollständig von Whisky-Etiketten zu entfernen. Läge man das auf Obstbrenner um, wäre das so, als stünde auf Marillen- und Birnen-Destillaten plötzlich nur noch „Brand“. Die Hauptzutat der Spirituose darf also bei Roggenwhisky nicht mehr genannt werden. Zusätzlich weicht diese Regelung von Standards ab, die in der EU üblich sind, wenn es um Getreide geht: Der Mehrheitsbestandteil gibt etwa Brot den Namen. Ein Roggenmischbrot wäre schon mit 34% dieses Getreides eines. Zudem bleibt abzuwarten, wie Verbraucherschützer diese Streichung eines Rohstoffes beurteilen, der der Kundenorientierung dient. Man will schließlich wissen, womit man seinen Manhattan rührt.

Eine der ältesten Roggenbrennereien des deutschen Sprachraums will das ebenfalls nicht hinnehmen. 30 Jahre wird J. Haider dieses Jahr, und schon der Name des Standorts Roggenreith verpflichtet zu Widerstand. Den können auch die Kanadier nicht umtaufen, doch Brennmeisterin und Chefin Jasmin Haider-Stadler schlägt auch ein konkrete Gegendefinition vor: „Es wird Zeit, den europäischen Roggenwhisky zu definieren und ihn nicht unter einem Abkommen untergehen zu lassen, das so nicht gerechtfertigt ist“.

Die Spätfolgen des „Dealmakings“

Dass es die Verordnung überhaupt gibt, liegt an einem Deal, der 2003 vorteilhaft erschien. Deutschland reklamierte den Schutz des „Korn“ in Kanada in das Abkommen, Österreich den „Jagatee“ in drei Schreibweisen. Griechenland schützte seinen „Ouzo“ transatlantisch und Italien wollte keinen kanadischen „Grappa“ haben. Während also die Regierung in Ottawa Herkunftsbezeichnungen in ihrer europäischen Auslegung schützte, wurde im Gegenzug der „Canadian“ zum einzigen „Rye Whisky“. Dem Export hat das wenig geholfen: Für 2023 verzeichnete der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie gerade einmal 312.000 verkaufte Flaschen Canadian Whisky – in etwa so viel wie Doppelkümmel. Doch es wird noch skurriler, denn im Gegensatz zum namensgebenden Kümmel muss der „Rye Whisky“ aus Amerikas Norden keinen Roggen enthalten. Da Kanada so lange führend beim Roggenwhisky war, gilt er quasi von Gesetz wegen als „Rye“ – auch wenn er kein Körnchen dieses Getreides enthält.

Das Ziel der gemeinsam auftretenden Brennereien in Mittel- und Nordeuropa ist daher klar: Sie sähen ihren Whisky gerne auch auf dem Label als das bezeichnet, was er ist – aus Roggenmaische destilliert. Denn der mittlerweile seit 22 Jahren geschützte kanadische Rye darf auch mit genau Null Anteil dieses Getreide so heißen. „Produzenten wie wir verwenden ausschließlich Roggen. Aber wir sind diejenigen, die jetzt nicht mehr von Rye Whisky sprechen sollen!“, bringt Bastian Heuser von Stork Club im Spreewald die Absurdität auf den Punkt.

Was die Roggen-Brenner fordern

Die Crux an der alten Regelung ist allerdings, dass sie bereits in Kraft war, als viele der heute exportstarken europäischen Roggenbrennereien noch nicht existierten oder gerade erst starteten. So meint etwa Mikko Koskinen von Kyrö, dass man sich 2014 explizit in Finnland gegründet habe, um Single Malt Rye Whisky herzustellen. „Der Begriff Single Malt war aber bis 2019 noch Gerstenbränden vorbehalten“, erinnert sich Koskinen und bemüht zum nunmehrigen Verbot der Bezeichnung Rye Whisky ein südlichere Analoge: „Das ist, als würde man extra natives Olivenöl herstellen und es plötzlich weder ‚extra nativ‘ noch ‚Olivenöl‘ nennen dürfen“. Daher schließen sich die drei folgenden Haupt-Kritikpunkte der Roggenbrenner an:

•            Die Durchsetzung dieser Regel – egal ob alt oder erneuert – ist irreführend für Verbraucher.

•            Sie benachteiligt europäische Whisky-Produzenten.

•            Zudem unterlaufe die Europäische Union in diesem Fall ihre eigenen Bemühungen um transparente Produkt-Kennzeichnungen.

Konkreter Wunsch der Whisky-Rebellen wäre daher, das CETA-Handelsabkommen, das relativ mühsam durch die Parlamente gebracht wurde, neu zu verhandeln. Wie realistisch das ist, wird sich zeigen müssen – und in jedem Fall sehr lange dauern. Aber immerhin: Zumindest geht es in Sachen Roggen um den Rechtsweg. Nicht um erratische Eingebungen eines US-Präsidenten.


 


 

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