Schacht Siegen: Kleine Bar, große Wirkung

Der „Schacht“ setzt Siegen auf die Landkarte der deutschen Barszene. Man muss ihn aber erst finden, denn er befindet sich in an einem speziellen Ort. Wir haben ihn natürlich gefunden.

Drei Männer sitzen hinter und vor dem Tresen der kleinen Bar. Sven Falkenheiner, Oliver Syska und Philipp Drexler betreiben den Schacht im Schlossberg seit April 2022. Alle drei sind sie gebürtig aus Siegen, jener Kleinstadt in Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz, gelegen im Kessel zwischen Marburg und Köln. Die Stadt gilt als eine der der grünsten Deutschlands und repräsentiert Dorfidylle ebenso wie angehende Großstadt. Mit etwa fünfzehntausend Student:innen ist sie eine von jungen Menschen geprägte Stadt.

Sven ist eigentlich Konstrukteur, Olli arbeitet als Abteilungsleiter und Phil verdient sein Geld als Grafiker und Musiker. Alle drei sind immer noch voll berufstätig und haben Familie, deshalb ist die Bar im normalen Betrieb auch nur an einem Freitag geöffnet. Donnerstags und samstags füllt sich der Laden mit Gästen für die Whisky-, Rum- oder Cocktail-Tastings. „Die Cocktail-Tastings sind definitiv die beliebtesten. Wir erklären anhand von Drinks, wie es zur Renaissance der Bar kam“, erklärt Sven.

Dass die Schacht-Boys damit echte Aufklärungsarbeit leisten, steht außer Frage. Aber wie kam es denn jetzt dazu?

Die Entstehung des Schacht

Die Entstehungsgeschichte erinnert an eine Szene aus der US-Comedy-Serie How I met your mother, in der die beiden Hauptcharaktere Barney und Ted sich entschließen, eine Bar namens Cubes eröffnen zu wollen. Ausgangspunkt: Ein paar Kumpels mit einem Bier. Sven gibt zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren Tastings für Spirituosen. Auf der Suche nach einem Ort für diese Tastings stößt er auf eine zu vermietende Location in der Schlossmauer von Siegen: eine nicht mehr benutzte, öffentliche Toilette.

„Als ich reinkam, dachte ich nur: Ach du Scheiße, niemals!“, grinst der heutige Bar-Besitzer. Nun ja, lange Rede kurzer Sinn: Sven erzählt den beiden anderen von der Sache, woraufhin sie sich entschließen, das Projekt zu verwirklichen. Mit der Unterstützung ihrer Partnerinnen im Rücken geht die Arbeit los. Sie flexen Wände auf, streichen Bänke und bauen den Tresen. Die Einrichtung besteht aus eben jenen, schwarz gestrichenen Spanplatten, in der Mitte des Raums befindet sich eine Tafel.

An der Seite gibt es einen Stehtresen, der zum DJ-Pult umfunktioniert werden kann. Ursprungsidee: Phil und Oli, die lange gemeinsam in einem Siegener Club zusammengearbeitet haben, legen am Wochenende auf und es gibt Ausschank. „Das ganze war eigentlich nur als Hobby-Projekt geplant“, erzählt Olli. Aus dieser Idee wurde mit der Zeit ein Konzept mit anspruchsvolleren Drinks, welche hauptsächlich von Sven konzeptioniert werden. „Wir waren Svens Azubis und haben zusammen gelernt, wie man richtige Drinks macht“, beschreiben Oliver und Philipp.

Im Schacht ist DIY Programm

Schachtini und Co.

Auf der Karte, die es inzwischen in vierter Version gibt, stehen hauptsächlich Twists von Klassikern. Hier finden sich ein Gimlet mit Jasmin oder ein Clover Club, der als Milk Punch aufgelegt wird und mit Himbeergeist ins Glas kommt. Die Aufklärungsarbeit ist ebenfalls wichtig, und so werden mit dem „Drink des Monats“ auch Klassiker des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts an die Gäste der Bar herangetragen.

„Der Qualitätsanspruch war von Anfang an hoch“, definieren das Schacht-Trio. „Uns war wichtig, Säfte frisch zu pressen und gutes Eis zu verwenden. Qualität ist unser USP.“ Die meisten Klassiker sind auch unabhängig vom „Drink des Monats“ fester Bestand des Portfolios, denn wegen besagter Tastings ist das Backboard hervorragend bestückt.

Eine Bar in Siegen

Dass die Reaktion auf die Eröffnung des Schacht so positiv ausfallen würde, war den Drei im doch etwas 'stiffen' Siegen im Vorhinein nicht klar. „Damit hatten wir niemals gerechnet. Bereits am Eröffnungsabend wurde uns die Bude eingerannt. Wir wollten ein Hobby verwirklichen und jetzt haben wir fünf Angestellte.“

Als erste moderne Cocktailbar ihrer Region ist das vielleicht wenig verwunderlich. Über die Probleme der Stadt mit Systemgastronomie wird aber auch gesprochen. „Diese Stadt ist von 'Systemern' durchseucht. Wir brauchten vor allem am Anfang sehr viel Fingerspitzengefühl bei unseren Gästen.“ Dass durch die Erfahrung mit Systemgastronomie bei Gästen ein gewisses Unverständnis für Qualitätsanspruch und Preisgefüge entsteht, ist kaum etwas Neues und findet sich natürlich auch in einer Stadt wie Siegen wieder. Die Cocktails bewegen sich zwischen 9 und 12 Euro, etwa 40 Personen finden in der Bar Platz. „Siegen ist eben Siegen.“

Ins Glück verlaufen

Stolz sind die Betreiber vor allem auf ihr gut durchmischtes Publikum. „Bei uns kann jeder kommen, wie er will, egal ob in Anzug oder Jogginghose“, so Phil. Oli erzählt von einem Schlüsselmoment, bei dem eine Gruppe älterer Damen direkt neben einer aus jungen Student:innen saß. „So etwas erfüllt einen schon mit Stolz“, lacht er.

Der Schacht hat auch eine Art Speakeasy-Charakter. Obwohl die Tür für alle offen steht, ist der Laden von außen schwer als Bar zu identifizieren, weil die Schilder und die – zwar verschlossenen aber doch – Originaltüren der öffentlichen Toiletten immer noch dort zu finden sind. Wer also nichtsahnend in der Hoffnung auf ein Öffentliches WC an einem Freitag Abend dort entlang schlendert, kann sich versehentlich in einer kleinen Cocktailbar wiederfinden.

Und es gibt wahrlich Schlimmeres. Denn wer sich in Siegen aufhalten sollte, dem sei definitiv ein Besuch im Schacht empfohlen.


Fotocredit
Schacht Bar

 


 

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Kommentare (1)

Thomas
/
Uhr

herrliches Örtchen, nur zu empfehlen!