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Sie will doch nur spielen – aber laut und bunt: die Charlatan Bar in München



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er bisher Lust auf gute Drinks in Haidhausen hatte, hat in aller Regel den Barroom oder die Negroni Bar angesteuert. Beide Läden fallen eher in die Kategorie »traditionelle Atmosphäre«. Die Charlatan Bar will genau das nicht sein. Sondern wild, laut und kreativ. Wie man mit Neonlicht und bunten Schirmchen ein Münchner Bourgeois-Viertel aufmischt.

Bewohner aus der Nebenstraße spähen durch die große Fensterfront. Sie fangen an zu diskutieren, wann sie denn hier jetzt endlich mal vorbeischauen; warum die Bar wohl so heißt, wie sie heißt; wie schön es ist, dass hier in der Gegend was Neues eröffnet hat und ob die Inneneinrichtung dem eigenen Geschmack entspräche oder nicht. Die Nachbarschaft ist gehyped. Die Lage ist laut: gegenüber von einem Krankenhaus, direkt an der viel befahrenen und durch Tramschienen geteilten Einsteinstraße.

Das Charlatan ist eine Symbiose aus Minimalismus und Opulenz
Das Charlatan ist eine Symbiose aus Minimalismus und Opulenz

Charlatan Bar

Einsteinstraße 50
81675 München

Die Charlatan Bar kommt mit Augenzwinkern

„Ja, es ist hier wild, aber das passt zu unserem Konzept“, sagt Johannes Möhring. Er betreibt die Bar gemeinsam mit Pawel Szczypinski und David Metz. Zusammen sind sie ein interdisziplinäres Dreigespann: Szczypinski ist Produktdesigner. Er schätzt die Arbeit hinter der Bar schon lange als „kleinen Reset“ gegenüber dem Hauptberuf und verantwortet logischerweise die Optik und alle handwerklichen Aufgaben im Laden. Metz bescherte dem Münchener Westend mit dem Schwarzen Dackel fünf Jahre lang eine der feinsten Bars im Viertel. Er kennt Möhring seit der gemeinsamen Arbeit im Schumann‘s und betreibt außerdem das Lokal Landl in Stephanskirchen.

Für Johannes Möhring ist die Charlatan Bar nach dem Ménage die zweite eigene und insgesamt sechste Eröffnung, an der er beteiligt ist. Gemeinsam mit Headbartenderin Paulina Nowakowska gestaltet er die Barkarte. Die beiden bilden ein aus Ménage-Zeiten bekanntes und eingespieltes Team – auch der Rotationsverdampfer kommt wieder zum Einsatz: „Garnish und die Namen haben aber viel mehr Augenzwinkern als in der Ménage. Wir haben Bock hier auch Drinks mit Schirmchen und eingelegten Kirschen zu servieren! Aber da wird die Qualität eben trotzdem stimmen“, so Möhring. Wahrscheinlich lösen diese dann das bisherige Lieblingsfoto-Motiv der Besuchenden ab: Bunte Flüssigkeiten in einheitlichen Glasflaschen, ordentlich aufgestellt vor der Kachelwand.

KI-Barock meets Neonlicht meets geschubste Hüften

Dass die Charlatan Bar insgesamt noch viel verspielter ist, wird deutlich, sobald man den Laden betritt: KI-generierte Wimmelbilder mit Motiven aus der Barockzeit, die das übertriebene Leben feiern, eine grün gekachelte Bar mit vollintegriertem DJ-Pult, eine scharlachrote Deckenverkleidung aus Schaumstoff, Neonlicht-Projektionen auf einer Glastafel und rote Apothekerkittel als Teamkleidung. Das alles trifft auf dunkelbraune Wirtshaustische und (bald auch) Butzenscheiben in der Fensterfront. „Es ist fast unmöglich, hier ohne Eindruck rauszugehen! Das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal von uns“, beschreibt Möhring. Und was soll der bleibende Eindruck idealerweise sein? „Das war ein fetter Spaß!“

Insbesondere an Wochenenden können – oder besser gesagt: sollen – die Gäste bitte auch tanzen. Oder wie Johannes Möhring es formuliert, „die Hüften schubsen.“ Dazu wird das im Barkörper verbaute DJ-Pult bespielt, die sorgsam austarierten Lautsprecher-Boxen ausgereizt und Erinnerungen an lange Abende im Schwarzen Dackel geweckt. Genre beim Auflegen? Egal, jedenfalls fast: „Es gibt keine vorgegebene Musikrichtung, aber der Vibe muss getroffen werden. DJs sind Teil der Mission, dass unsere Gäste Spaß haben. Da ist es mir Wurscht, ob sie das mit 80s, HipHop oder Pop erreichen.“

Das dunkle Holz lässt noch den Vorgänger erahnen
Das dunkle Holz lässt noch den Vorgänger erahnen

Charlatan Bar: Entspannung und Endgegner-Drinks

Während der Vibe an Samstagen also „eher so in dritter Reihe vor der Bar bestellen, direkt zahlen und im Stehen trinken“ ist, kann man sich unter der Woche auf den Service am Tisch und mehr Zeit für Beratung durch das Team einstellen. Manche Gäste wollen diese bei selbstverständlich aufgelisteten Getränke Zutaten wie Fichtenspitzen-Cordial, Kola-Reduktion, fermentiertem Verjus und Oleo Saccherum auch ausführlich in Anspruch nehmen – oder aber ein gezapftes Bier bestellen.

Johannes Möhring betont: „Diese Bar soll alle zusammenbringen, die Bock auf Endgegner-Drinks in einer sehr entspannten Atmosphäre haben. Aber natürlich ist das auch ein Spagat.“« Begleitend zu den Drinks und einem langen (oder früh gestarteten) Abend gibt es auch gegrillte Sandwiches, die in Zusammenarbeit mit Küchenchefs aus Metz‘ Landl konzipiert werden. „Unsere Gäste sollen am Ende des Tages irgendwie happy sein – ob wegen der Drinks, der DJs, unseren Leuten hinter der Bar, einem soliden Snack oder einfach weil sie einen guten Abend mit Freunden hatten, das ist doch eigentlich egal.“

Welches Fazit wünscht sich Johannes Möhring nach einem Jahr? „Dass das Team noch steht und wir nicht pleite sind“, grinst er und fügt hinzu: „Im Ernst: Ich will, dass alle, die hier arbeiten, Freude haben und sich wertgeschätzt fühlen. Die Charlatan Bar soll nicht nur für die Gäste ein Feelgood-Place sein, sondern eben auch fürs Team.“

Dieser Text erschien ursprünglich in der MIXOLOGY-Printausgabe 4-2024. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er formal adaptiert, aber inhaltich nicht verändert.

 


 

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