Not another Martini-Cousin? Ja, aber nicht nur. Der Tuxedo No. 2 Cocktail zeigt uns einmal mehr, wie sehr in der Geschichte der gemischten Drinks doch alles auf die eine oder andere Weise miteinander zusammenhängt. Und auch wenn das Wortspiel irgendwie lahm ist: Er sitzt halt auch perfekt.
Allein der Name! Da muss man neidlos einräumen: Der sitzt. Okay, bei einem Drink mit dem Namen Tuxedo No. 2 ein recht billiger Wortwitz. Aber er sitzt halt. Tatsächlich hat der Cocktail seine Bezeichnung aber weniger als Anspielung auf das klassisch-schwarze Dinner Jacket, sondern aufgrund der generellen Noblesse, die mit dem Wort assoziiert wird. Tuxedo, das bedeutet Grand Hotel, Gala-Abend, gute Gesellschaft, Champagner.
Tuxedo No. 2 Cocktail: der Name als Programm?
Genau das wird damit beabsichtigt gewesen sein, bezieht sich nämlich der Name des Tuxedo No. 2 Cocktails nicht auf das Kleidungsstück, sondern auf dessen angeblichen Entstehungsort: Den gleichnamigen, mondänen Country Club in der Nähe von New York, nicht weit entfernt vom Örtchen Tuxedo Park.
Der wichtigste Programmpunkt: der Drink
Doch verlassen wir das Anwesen des Clubs und wenden uns dem Wesentlichen zu – dem Drink. Mixologische Formspiele der Art des Tuxedo No. 2 schüttelte die Zeit der damaligen Jahrhundertwende – gefühlt! – geradezu aus dem Ärmel: Spirituose plus Bitters plus Zucker oder Likör plus Absinth plus X. Da verwundert es wenig, dass die erste heute bekannte schriftliche Erwähnung des Drinks bei niemand geringerem als Harry Johnson stattfindet: In der überarbeiteten Fassung seines Bartenders‘ Manual von 1900 taucht die Familie der Tuxedo Cocktails auf, wohl als Verweis auf den Club. Und da wird es interessant.
Improved Gin Cocktail, Marguerite, Tuxedo, Martini?
Denn in dieser neu aufgelegten Version des Buches steht ebenfalls der „Marguerite Cocktail“ erstmals, also eine für heutigen Geschmack recht süffige Mischung aus Gin und trockenem Wermut mit etwas Bitters und Orangenlikör. Es war die Zeit, als der trockene Wermut (meist als „French Vermouth“ bezeichnet) begann, an den Bars und somit in den ersten Cocktailbüchern eine echte Rolle zu spielen – für die Entwicklung des heutigen Martini Cocktails ein zentrales Momentum.
Vor diesem Hintergrund ist der Tuxedo eine besonders spannende Mischung. Denn er spielt sich durch seine Zusammensetzung aus gleichen Teilen Old Tom Gin und trockenem Wermut absolut auf der gleichen Ebene ab, schlägt aber durch die Modifier Absinth, Maraschino und Orange Bitters eine klare, für den versierteren Trinker geradezu eindeutige Brücke zur klassischen Gattung des „Improved Cocktail“. Also jenes sozusagen erweiterten Old Fashioned, der meist um Maraschino oder Curaçao sowie Absinth ergänzt wird.

Tuxedo No. 2
Zutaten
5 cl Old Tom Gin
3 cl trockener Wermut (ursprünglich 5 cl)
2-3 Dashes Orange Bitters
1-2 Dash Maraschino
1 Dash Absinth
Der Tuxedo No. 2 Cocktail als die Verbesserung der Verbesserung
Besonders der „Improved Gin Cocktail“ (oft auch „Improved Holland Gin Cocktail“ als Verweis auf den enthaltenen Genever) spielte im ausgehenden 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Die buchstäblich mit Likör und Absinth „verbesserte“ Variante des eigentlichen „Cock-Tail“ aus Spirituose, Wasser, Zucker und Bitters grenzte sich schnell vom klassischen Vorbild ab (und ließ diesen dadurch old fashioned werden) und war so als moderner Drink beliebt; an der Ostküste der USA wiederum war Genever höchst populär.
Der Tuxedo verbreitet sich schnell
So bringt Harry Johnson im Tuxedo No. 2 diese beiden Strömungen zusammen: Er vereinigt gewissermaßen den Improved Gin Cocktail mit dem Trend zu trockenem Wermut (in den restlichen Tuxedo-Rezepten des Buches spielt dann teilweise noch trockener Sherry eine Rolle).
Ganz ohne Strahlkraft waren jedenfalls sowohl Name als auch Herkunft oder auch der Cocktail selbst nicht: Recht schnell findet sich der Tuxedo No. 2 nach 1900 in einer Reihe weiterer Cocktailbücher, von denen Harry McElhones Barflies & Cocktails (1927) und das Savoy Cocktail Book (1930) nur die beiden berühmtesten sind – und auch David A. Embury nimmt den Tuxedo No. 2 im Jahre 1948 in sein wegweisendes Buch The Fine Art of Mixing Drinks auf, wo er ihn wiederum mit dem wichtigen Martini-Vorläufer „Turf Cocktail“ in Zusammenhang setzt.
Natürlich unterscheiden sich hier und da die Details innerhalb der Rezeptur. Mal kommt Angostura Bitters hinzu oder es wird nach einer Zeste verlangt, außerdem variiert die Gin-Stilistik. Und wenn Embury schreibt, ein Dry Martini würde durch die Zugabe von Maraschino, Absinth und Bitters zum Tuxedo No. 2, dann dürfen wir erst einmal davon ausgehen, dass er von seinem geliebten, stattlichen 7:1-Verhältnis zwischen Gin und Wermut ausgeht.
Der Tuxedo No. 2 ist ein Brückenschlag
Die goldene Mitte der Rezeptur für einen Tuxedo No. 2 muss wohl jeder selbst finden – ob eher dry oder eher medium. In jedem Fall bleibt er als einer der vielen angedeuteten Brückenschläge zwischen Martini und Old Fashioned – als weitergedachter Improved Gin Cocktail und somit „Verbesserung der Verbesserung“ – aber ein hochinteressanter Cocktail. Ein Cocktail, der im Idealfall perfekt passt. Mist, jetzt haben wir den Witz doch noch mal gemacht.