Dass man sich bei einem Schlendergang durch Prag auf einen Prager Schinken mit Meerrettich sowie ein Pilsner Urquell niederlassen kann, versteht sich von selbst. Aber das Bar-Niveau der tschechischen Hauptstadt ist viel interessanter: Diese fünf Bars in Prag sollte man nicht verpassen.
Wer es mit Kultur spicken will, labe sich in diesem Jahr am hundertsten Todestag von Franz Kafka oder an dem literarischen Flair des Café Imperial – dem vermutlich bekanntesten Jugendstil-Kaffeehaus mit langer Historie aus Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern und Wände aus Art-Déco-Keramikfliesen nit Szenen der griechischen und ägyptischen Mythologie. Wer es etwas schicker mag, nimmt einen Brunch bei Eska ein, wo man die „Potatoes in Ash“ essen sollte, dem ultimativen Signature Gericht, bestehend aus geräuchertem Fish, Eigelb, Dill, Kefir und Brioche-Butter, dazu sei eine „Apfel-Mimosa“ empfohlen. Dann gibt es aber eben auch noch die Bars – die international ziemlich unter dem Radar laufen. Zu Unrecht. Anbei fünf Bars in Prag, die imstande sind, die tschechische Barhistorie zu revolutionieren.
Alcron Bar
Die Basis eines Prag-Aufenthalts bildet das Almanac X Prague. Almanac ist eine Minikette von Boutique-Hotels in Wien, Barcelona und Prag, die in puncto Hoteldesign und -kulinarik stark mit der jeweiligen Stadt verwoben sein wollen. In Prag ist es das historische „Alcron Hotel“, namentlich inspiriert von den ersten beiden Namenssilben seines Architekten und Eigentümers Alois Krofta (plus „n“). Umgeben von marmorgüldnen Art déco-Elementen wirkt hier Barchef Daniel Prokeš, der anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka liquide Interpretationen der „Verwandlung“ ins Glas brachte, namentlich den Metamorphosis aus in Schmetterlingsblütentee aufgegossenem Gin, Zuckersirup und Zitronensaft. Die derzeitige Signature-Range basiert auf ikonischen Personen, die die Geschichte des Hotels gesäumt haben – so etwa Alcron höchstselbst, „Lincoln 47“, „Tank Olga“ oder die „Prima Ballerina“. Dass Prokeš seine Karriere als Küchenchef startete, merkt man seinem experimentierfreudigen und techniksicheren Umgang mit Verarbeitung und Einsatz der Zutaten an. Dabei unabdingbar: der frittierte Farmkäse und das getrüffelte Popcorn.
Štěpánská 624/40, 110 00 Nové Město
Anonymous Shrink’s Office
Ihrem Namen definitiv gerecht wird dieses Speakeasy aus der Gastro-Schmiede „Anonymous Concept“, die vier Bars in der Stadt und außerdem die Prague Cocktail Week ins Leben gerufen haben. Denn im Shrink‘s Office, übersetzt also dem Arbeitszimmer des Therapeuten, lässt sich ausgesprochen viel über sich selbst herausfinden. Zuhause im Gewölbekeller des „Ideas are Bulletproof“, besteht die Karte aus einem Rorschach-Test. Entworfen von dem Schweizer Psychologen Hermann Rorschach, werden hier aufgrund von schematischen Bildern und die dadurch ausgelösten Gefühle Schlüsse über die Psyche des Patienten gezogen. Oder eben über die Drinkwünsche.
Wir wählen die Illustration einer roten Pfütze aus; könnte eine Amaryllis sein, irgendwie auch eine Vagina und es gibt schwärzliche Stellen wie ein aufziehender Gewitterhimmel. Daraufhin kommt ein leicht torfig-rauchiger Negroni, der auf den Punkt ist. Gemixt und serviert wird stilecht in Anynymous-Maske, schließlich muss professionelle Distanz gewahrt werden. In jedem Falle sollte man hier reservieren; und sich dann bloß noch trauen, auf den kleinen roten Knopf unter dem maskierten Pferd an der Garderobe zu drücken und hinab ins Dunkle zu steigen. Denn, wie schon Hermann Hesse wusste: „Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt.“
Jungmannova 23/11, 110 00 Nové Město
Parlour
Im Parlour steigt man einige Stufen hinab und muss sich der Hausnummer sicher sein, ehe man viermal vorbeiläuft, um in dieser Speakeasy Bar zu landen, die ohne Menü auskommt. Die Bartenderin namens Margarita ist erst seit acht Monaten im Parlour, kommt ursprünglich aus der Ukraine und hört ausgesprochen aufmerksam zu, welchem Gast der Sinn nach was steht – und nach was nicht. Unser Drink hat keinen Namen, besteht jedoch aus The Chita, Laphroaig, Mohnsamenlikör, Portwein und Bitters – und übertrifft geschmacktlich deutlich die Präzision bei der Bestellung. Die Verarbeitung von Mohnsamen in Cocktails sei in Tschechien besonders beliebt, erklärt Margarita. Die Drinks sind klein und stark, am Nebentisch zündeln zwei Bartender an Karamellstücken herum – als Vorbereitung für eine Cocktail Competition, erklären sie. Dieses souterrainen Parlour – auf deutsch „Stube“ – ist tatsächlich eine Schmiede für große Gedanken in kleinen Gläsern bei maßloser Gastlichkeit.
Krakovská 15, 110 00 Nové Město
Hemingway
Es scheint sie nicht zu geben, die offizielle und vollständige Liste aller Hemingway Bars. Anzunehmender Fakt allerdings ist, dass Ernest nicht in allen nach ihm benannten Bars gewesen sein kann. So auch nicht in der pittoresk in der Prager Alstadt gelegenen, zweistöckigen Bar, nur wenige Schritte von der Moldau entfernt. Gleichwohl es ihm sicherlich gefallen hätte, genießt die Bar doch das für Hemingway Bars klassische Interieur, geprägt von schwerem, dunklem Holz sowie Chesterfieldmöbeln. Kurz: Die Bar vermittelt das Gefühl, dass man an einem solchen Ort auch Bücher zu schreiben imstande wäre. Diese Bar ist ein nie versiegender Quell fulminanter Absinthgetränke mit 15 Sinature Drinks– wobei einer besonders hervorsticht: der „Savoury Habit“. Dafür wird Gin aus dem Hause der Garage 22 Distillery –der ersten Prager Adresse für handwerklich Destilliertes – mit Prager Schinken destilliert, hinzu kommt ein Meerrettich-Cordial und als Garnitur getrocknetes Brot mit Schinkenstaub sowie einem Tröpflein Senf. Liquider wird Prag nicht mehr. Im kleinen Bruder der Hemingway Bar, dem Liquid Office eine halbe Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt und deutlich außerhalb der beschaulichen Altstadt, geht es ungleich moderner und weniger altehrwürdig zu.
Karoliny Světlé 26, 110 00 Staré Město
Black Angel’s
Auf halber Strecke zwischen dem Mucha Museum und der Karlsbrücke wartet das steinige Gewölbe der Black Angel’s Bar. Direkt unter dem royal anmutenden Hotel U Prince am Old Town Square, dessen Gebäude aus dem 12. Jahrhundert stammt. Genauso fühlt sich auch das Untergeschoss an. Die Drinks indes wurden modernisiert – zumindest bis in die 1930er. Aus jener Zeit stammt nämlich ein Gros der dort servierten Cocktails, und zwar aus beim Renovieren gefundenen Tagebüchern und Notizen der tschechischen Bartenderikone Alois Krcha, der seit dem frühen 20. Jahrhundert in Prag, Paris und New York am Shaken war und alles aufschrieb. Und der – zumindest der Legende nach – einem gewissen Alphonse Gabriel Capone seinen Kosenamen „Al“ gab. In dieser Bar geht es allerdings friedlich zu, war der Raum früher sogar Teil eines Klosters. Dieser Tatsache widmet sich der Drink „Angel’s Monastery“, kredenzt aus Gin, Orangenlikör, Zitronensaft und Hibiskus, womit sich sehr kontemplativ auf den Ort einstimmen und die überirdische Welt jenseits der historischen Mauern vergessen lässt. Außerdem herrscht hier die sehr originelle Barregel des Kopfbedeckungsverbots, die da lautet: „Baseball cap or fancy hat, out of bar you will get.“ Hätte für Capone sowieso schlecht ausgesehen.
Staroměstské nám. 29, 110 00 Staré Město
Transparenzhinweis: Die Reise der Autorin fand durch eine Einladung des Almanac X Prague Hotels statt.